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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Berndorf
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Umrisse, keine Schatten, nicht der Schimmer einer Lichtquelle. Ich konnte atmen, die Luft war kühl, aber sie stand, sie bewegte sich nicht. Unter dem groben Tuch war ein hartes gespanntes Tuch, Leinen. Am Rande dieser Fläche ein vierkantiger Hohn aus Holz. Ich lag wohl auf einer Trage oder einem Feldbett.
    Ich sagte: »Hallo«, konnte aber nicht herausfinden, ob der Raum groß oder klein war. Kein hallendes Echo. Niemand reagierte, nur die Schwärze schien mich zu schlucken.
    Ich ließ den rechten Arm hängen, er pendelte ins Leere. Ich drehte mich leicht nach rechts, und meine Hand erreichte einen steinernen Boden, glatten kalten Beton. Meine rechte Nierengegend schmerzte scharf. Wahrscheinlich keuchte ich noch immer. Dann wurde ich mutiger, und ich zog das rechte Bein hoch. Das schmerzte auch. Ich erinnerte mich, daß jemand in unser Zimmer gekommen war, daß er über mir gestanden und mich geschlagen hatte.
    »Dinah«, rief ich.
    Wer immer es gewesen war, sie mußten mich angezogen haben. Wir waren nackt gewesen. Sie hatten mich also angezogen. Es waren meine Jeans, und es war mein Pulli, es war auch meine Lederweste. Die Taschen waren leer. Die Schuhe fehlten, ich war barfuß, hatte keine Strümpfe an.
    Vielleicht hatten sie mich erschlagen, vielleicht war ich tot.
    Ich sagte noch einmal: »Hallo.« Der Raum schien nicht groß, der Raum klang jetzt klein und hohl. Und meine Stimme hatte ich deutlich gehört.
    Ich zog beide Beine an. Das schmerzte erneut. Aber das mußte so sein, denn sie hatten mich sehr brutal geschlagen. Ich senkte die Knie nach rechts und drehte mich. Ich jammerte, als ich die Beine auf den Boden setzte. Aber ich saß. Dann stand ich auf, und die Bewegung war etwas zu schnell. Ich fiel seitlich nach vorn, ich brachte die Arme nicht vor meinen Körper. Ich versuchte, die Knie ganz weich zu machen und mich nach unten durchsacken zu lassen. Es ging nicht, ich fiel. Ich schlug mit dem Kopf gegen etwas Weiches, ich plumpste auf die Trage, auf die sie mich gelegt hatten.
    Sofort stand ich wieder auf. Ich hörte meinen Atem. Er ging sehr schnell, als sei ich eine weite Strecke gelaufen.
    Dann machte ich einen, zwei, drei Schritte nach vorn. Den rechten Arm hielt ich ausgestreckt. Kein Raum konnte so perfekt dunkel sein. Die haben dich blindgeschlagen, dachte ich entsetzt. Dann stieß ich mit der Hand gegen eine Wand. Sie war wie der Fußboden glatt und kalt.
    Ich rief erneut: »Dinah.«
    Ich entschied, nach links zu gehen und meine Schritte zu zählen. Nach vier Schritten erreichte ich einen Winkel. Neunzig Grad, dann erneut nach links. Nach drei Schritten eine Tür oder etwas Ähnliches. Aus Stahl. Die Zarge auch aus Stahl. Ich suchte eine Klinke, es gab keine, es gab nur einen Knauf, kein Schlüsselloch. Ich versuchte trotzdem, Nähte ausfindig zu machen, um wenigstens einen Spalt Helligkeit zu erwischen. Vermutlich hätte ich meine gesamten Rentenansprüche gegen ein einziges Streichholz getauscht.
    Dann weiter, drei Schritte, wieder ein rechter Winkel, nach links. Sechs Schritte. Wieder eine Ecke, nach links fünfeinhalb Schritte, dann erneut drei Schritte. Wenn ich mich jetzt drehte, mußte ich nach drei Schritten die Liege erreichen. Ich erreichte sie.
    Schmerzen setzten ein, ich konnte sie nicht lokalisieren. Anfangs dachte ich, es sei mein Kopf. Aber dann registrierte ich, daß irgend etwas mich am Atmen hinderte. Es schmerzte. Ziemlich klar überlegte ich: Sie haben mir Rippen gebrochen.
    Ich erinnerte mich an das Krankenhaus in Daun. Am Oberschenkel mußte ein Verband sein. Ich öffnete die Hose und ließ sie fallen. Der Verband war noch da, aber er war verrutscht. Wenigstens diese Wunde schmerzte nicht. Ich zog die Hose wieder an und betastete mein Gesicht. Soweit ich das feststellen konnte, war es ganz blutverkrustet. Etwas unter dem rechten Ohr pochte dumpf und sendete Schmerzen durch den Schädel.
    »Dinah?«
    Ich legte mich hin, weil ich das Gefühl hatte, schwindelig zu werden. Dann hatte ich plötzlich Lust auf eine Pfeife. Es gab keine, auch den Tabak und das Feuerzeug hatten sie mir abgenommen.
    Die Frage war, warum lebte ich noch? Ich mußte irgendeinen Wert für sie haben – wer immer sie waren.
    Was hatten sie mit Dinah gemacht? Aus einem verrückten Grund meinte ich, daß auch sie so etwas wie ein normales Empfinden haben müßten. Also, einer Frau wird kein Leid getan. Im gleichen Moment wußte ich, daß das völlig blödsinnig war. Wenn ich irgendeinen Wert für sie hatte,

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