Eifel-Filz
mußte Dinah den gleichen Wert haben. Was ich wußte, wußte Dinah auch.
Hatten sie Dinah geschlagen? Schlägt man Frauen? Leute, wie die, die mich geschlagen hatten, würden sie vermutlich vergewaltigen.
Ich dachte: Du mußt dein Gefängnis besser kennenlernen. Ich stand auf und erreichte direkt die Tür – etwas mehr als vier Schritte. Ich schlug dagegen, es hallte dumpf. Ich schrie.
Plötzlich waren da entfernte Geräusche, und ich wagte nicht zu atmen. Etwas passierte jenseits der Tür. Die Tür bewegte sich, und ich erwartete einen Lichtschimmer. Aber es blieb dunkel.
Ein Mann sagte: »Ruhig, mein Freund.« Er sagte es ganz freundlich und beinahe väterlich. Eine grelle, gelbe Lichtbahn zog wie ein Blitz durch den Raum. Eine Taschenlampe. Der Strahl zitterte auf dem Boden, ein hellgelber tröstlicher Fleck. Dann wanderte er hoch und blendete mich.
»Wir stehen ja schon«, meinte der Mann gemütlich. Der Stimme nach konnte er vierzig oder fünfzig Jahre alt sein. Er war eine Spur kleiner als ich und dicklich.
»Nun legen wir uns aber wieder hin«, fuhr er fort. »Da werden wir auch schneller gesund und vernünftig. Ts, ts, ts, warum legen wir uns denn nicht hin?«
Er schlug mir in das Gesicht. Es war ein peitschender Schlag, und er kam von der Seite und riß mich um.
»Wir müssen uns hinlegen, weil wir fit sein müssen, wenn der Chef mit seinen Fragen kommt. Der Chef ist so fürsorglich. Er hat gesagt, wir haben wahrscheinlich Kopfschmerzen. Und er sagte: Nimm Aspirin mit, er braucht es. Unser Freund braucht Aspirin!«
Ich lag flach auf dem Beton und konnte nicht antworten.
»Wir gehen jetzt zum Feldbett«, befahl er und trat mir an den rechten Oberschenkel. Schmerzen können sich explosiv verstärken, ich schnappte nach Luft, und Dunkelheit fiel über mich.
Es können nur Sekunden gewesen sein, denn als ich versuchte, mich aufzurichten, stand der Mann über mir und stellte seinen Fuß auf meinen rechten Oberarm. »Wir legen uns jetzt hin, wir sind doch ein guter Junge.«
»Hör zu«, keuchte ich, »ich lege mich hin. Nimm den Scheißfuß da weg. Ich kann mich nicht hinlegen mit deinem Scheißfuß auf mir.«
Er verstärkte den Druck: »Du wirst jetzt zu der Liege kriechen. Arnold befiehlt dir zu kriechen. Also kriech!«
Ich drehte den Kopf, er nahm seinen Fuß weg, und ich kroch.
»So ist es brav, mein Junge. So machen wir das richtig. Dann kriegst du auch das Glas Wasser und das Aspirin.«
Ich erreichte das Feldbett und kroch hinauf. »Hör zu, ich muß dir was sagen.«
»Onkel Arnold hört zu«, erwiderte er freundlich.
»Es ist wegen der Frau, wegen Dinah Marcus. Sie ist da reingestolpert, sie weiß nichts. Sie ist eine Bekannte, aber sie hat keine Ahnung, um was es geht.«
»Um was geht es denn, mein Freund?« fragte er. »Weißt du denn überhaupt, um was es geht?«
Ich war verblüfft. »Nein, ich weiß nicht, um was es geht.«
Er lachte fröhlich. »Du mußt dir keine Sorgen machen um deine Matratze. Du willst Onkel Arnold bloß verständlich machen, daß die junge Frau die Reise mitgemacht hat, weil du etwas zum Picken brauchst. Ist es so?«
»So ist es«, nuschelte ich.
»Du – mußt Onkel Arnold nicht belügen«, sagte er. »Aber nimm erst mal Aspirin, und kotz mir bloß nicht in den Keller. Putzfrau spiele ich nicht.« Er reichte mir ein Glas mit Wasser, wechselte dann die Taschenlampe in die andere Hand und gab mir zwei Tabletten. Dabei sah ich sein Gesicht. Es war rund wie ein kleiner Mond, teigig bleich und mit Augen, die wie Schlitze in einem massiven Fettpolster saßen.
»Wann kommt denn der Chef?« fragte ich.
»Das weiß man nie«, antwortete er. »Du denkst, er kommt gleich um die Ecke, und du mußt noch drei oder vier Stunden warten. Das weiß keiner.«
»Wer ist denn der Chef?«
»Das weiß auch keiner.« Er kicherte hoch im Falsett.
»Sag ihm bitte, daß die junge Frau wirklich nichts damit zu tun hat. Ich wollte sie eigentlich nicht mitbringen.«
»Aber sie redet schon«, gluckste er. »Sie hat schon viel berichtet. Richtig spannend.«
»Sie lügt«, sagte ich.
»Wer wird denn schlecht von Freunden reden«, sagte er vorwurfsvoll. Diesmal traf er meine linke Kopfhälfte und dann eine heiß brennende Stelle unterhalb der Rippen.
Ich war sofort bewußtlos, und ich erlebte nicht, wie er den Keller verließ.
Diesmal war das Erwachen noch mühseliger, weil alle Erinnerungen sofort da waren, weil kein Schlag vergessen war, weil alles schmerzte. Ich hatte
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