Eifel-Jagd
macht alles richtig Mut«, seufzte Kischkewitz nach einer
langen Weile melancholisch. »Uns rennt die Zeit davon. Na gut, ich werde euch
erklären, was mir der Tatort erzählt. In fünf Minuten am Unimog.« Er sah mich
scharf an. »Wenn ich frage, ob Julius Berner von diesen Abtreibungen gewuÃt
hat, wird die Antwort nein lauten. Ist das so?«
»Richtig, denke ich. Da hat eine Sorte Leben neben einer
anderen Sorte Leben stattgefunden. Haben Sie jemanden ausfindig machen können,
der Julius Berner richtig haÃt?«
»Noch nicht. Aber ich denke, die Düsseldorfer Kollegen werden
bald mit einer ganzen Kollektion antreten. Ich sage Bescheid, wenn ich die
Namen dieser Leute kenne. Hey, Carlo, wie ist das, kann man von der abgetrennten
Hand noch brauchbare Fingerprints nehmen?«
»Das müÃte gehen, Chef. Dazu müÃte ich das Beweisstück aber
bewegen.«
»Dann beweg es, verdammt noch mal.«
Emma kam aus einer grellen Lichtbahn auf mich zu. »Wenn er
getötet wurde, und das sieht wohl so aus, dann könnte der Täter unter anderem
doch scharf gewesen sein auf den Schlüssel vom Bauwagen.«
»Eher nicht«, sagte Kischkewitz ruhig. »Die Schlüssel sind zwar
verbogen, aber alle vorhanden.«
»Wenn der Mörder gesehen hat, daà sie verbogen sind, brauchte
er sie gar nicht erst mitzunehmen«, gab ich zu bedenken.
»Richtig«, sagte der Leiter der Mordkommission nach ein paar
Sekunden. »Kommt mit, ich informiere euch.«
Ich fand Rodenstock auf einem groÃen Felsbrocken sitzend.
»Kischkewitz will uns den Tatort erklären.«
»Wie? Ach so, ja. Ich komme.«
»Was ist mit dir? Du hast doch was?«
Er nickte: »Dinah hat mich eben angerufen und ...«
»Mitten in der Nacht? Ist sie verrückt?«
»Ist sie nicht. Sie hatte einen Unfall, sie liegt im Krankenhaus.
Nein, nein, nichts Schlimmes. Nur ein Oberarmbruch links, nicht mal eine
Gehirnerschütterung.«
»GroÃer Gott, wann wird sie endlich lernen, mich in Ruhe zu
lassen?«
»Das Schlimme ist, es war nicht ihr Auto, sondern die Karre von
diesem ... na ja von diesem Mann, bei dem sie zu Gast ist. Und dem geht es echt
beschissen. Komplizierter Beckenbruch.«
»Ich schicke ihm Blumen«, sagte ich bitter. »Und zum letzten
Mal: Verschone mich in Zukunft mit dieser und ähnlicher Berichterstattung. Ich
habe das Gefühl, weichgekocht zu werden.«
»Du entwickelst eine Paranoia«, schimpfte Rodenstock.
»Das ist mir scheiÃegal«, sagte ich kurzangebunden. »Komm,
Kischkewitz will sein Wissen loswerden.«
Wir bauten uns wie eifrige Schüler um Kischkewitz auf, und er
beobachtete das mit einem schnellen, schiefen Grinsen.
»Also los«, sagte Rodenstock brummig.
»Ich denke, es waren drei Autos beteiligt«, begann der
Kriminalist. »Wir haben oben an der Bruchkante deutliche Spuren eines
Normalreifens gefunden, wahrscheinlich von Pirelli. Ich denke, die stammen von
dem Suzuki von Narben-Otto. Das Auto stand ganz dicht am Abgrund, maximal
zwanzig Zentimeter entfernt. Dann kam ein zweites Fahrzeug mit sehr breiten,
sehr groben Reifen an. Kann alles Mögliche gewesen sein von Nissan über Toyota
und Opel bis Mercedes. Interessant ist, was dieses Fahrzeug tat. Es fuhr von
hinten auf den Suzuki auf und schob ihn über die Kante, der Suzuki stürzte ab,
Narben-Otto mit. Jetzt setzt der schwere Wagen rückwärts, bis er den Waldweg
erreicht. Er wendet und fährt den Berg hinunter, bis er am Weg Nummer zwei ist.
Er fährt, so weit es geht, in den Steinbruch hinein. Er dürfte genau bis dahin
gekommen sein, wo der Unimog jetzt steht. Dort fanden wir seine Reifenspur
wieder. Zu diesem Zeitpunkt, es ist etwa kurz vor Mitternacht, liegt der kleine
Suzuki natürlich schon hier unten, noch brennt er nicht. Der Fahrer, also
Narben-Otto, ist herausgeschleudert worden, der rechte Unterarm wurde abgetrennt,
wahrscheinlich erlitt er einen doppelten Schädelbasisbruch. Narben-Otto muÃ
nach unseren Erkenntnissen tot sein, allein wegen der Fallhöhe ist das sehr
wahrscheinlich. Er ist samt Auto siebzehn Meter tief senkrecht abgestürzt. Der
Mörder packt Narben-Otto unter den Achseln und wuchtet ihn zu dem Suzuki, der
leicht in Schräglage normal auf seinen Rädern steht. Er packt Narben-Otto
hinter das Steuer. Dann geht er zu seinem Wagen zurück und nimmt
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