Eifel-Jagd
fotografieren.«
»Seht mal, hier«, sagte Emma. Sie deutete auf einen Sessel.
Aber wir verstanden nicht, was sie meinte. »Da sind Löcher in den Armlehnen. In
die Löcher kommen diese Beinhalter der Frauenärzte. Mein Gott, ist das ekelhaft.
Fotografier das mal.«
Es war unglaublich, wieviel Krimskrams Narben-Otto mit sehr
viel Geschick in diesem Bauwagen verstaut und untergebracht hatte. Aber es gab
nur einen Schrank, der mit drei Vorhängeschlössern gesichert war. Auch ihn
brachen wir auf. Wir entdeckten die Beinhalter aus Plastik mit den verchromten
Stangen und eine groÃe Anzahl an Medikamenten. AuÃerdem drei Tabletts mit
chirurgischen Werkzeugen, Ampullen, Einwegspritzen, Salben, Puder und viel Verbandszeug.
Ganz unten in dem Schrank stand eine Glasschale, die mit einem
verchromten Deckel verschlossen war.
»Stell sie auf den Tisch und mach sie auf«, bat ich Rodenstock.
Er öffnete die Schale und legte den Deckel daneben. Das GefäÃ
enthielt drei Stangen Haschisch, jede so groà wie ein Schokoladenriegel. Und
ein Plastikkissen mit weiÃem Pulver.
Rodenstock nahm eine Schere und schnitt eine winzige Ecke ab.
Dann schüttete er etwas von dem weiÃen Pulver auf die Spitze seines
Zeigefingers und verrieb es oberhalb der Zähne auf seinem Zahnfleisch.
»Es ist Kokain, kein Zweifel. Und es ist hochwertiger Stoff.«
Wir packten alles sorgfältig zurück an die Plätze, an denen wir
es gefunden hatten, so daà nicht sofort auffallen würde, daà wir eingebrochen
waren. Die Eingangstür drückten wir zu und klemmten sie mit einem schräg
angeschnittenen Ast fest. Den kappten wir so eng an der Tür, daà man ihn nicht
mehr sehen konnte.
Plötzlich spürst du den Tag, die Luft, die Sonne. Du hast ganz
verkrampft die Nacht über gearbeitet, dein Hirn vergeblich angestrengt in dem
Bemühen, so etwas wie eine Linie in dem Chaos zu entdecken. Und plötzlich ist
dir das unwichtig, weil du entdeckst, daà der Himmel blau ist und die Sonne
dich wärmt. So einfach kann das Leben sein.
Bei der Ausfahrt von Gerolstein nach Pelm fragte Emma: »Und was
ist, wenn das alles getrennte Vorgänge sind? Wenn Narben-Ottos Verbindung zum
Zoll nichts mit seinem Tod zu tun hat und nichts mit den Abtreibungen? Wenn der
Botaniker nichts mit Narben-Otto zu tun hat? Auch nichts mit Julius Berner?
Wenn Narben-Otto nichts mit dem Tod von Cherie zu tun hatte? Und nichts mit dem
Tod von Mathilde Vogt? Und die Vogt nichts mit der Cherie? Und Julius Berner
mit dem gesamten Komplex überhaupt nichts? Und Stefan Hommes nichts mit
Narben-Otto, mit Cherie und mit Mathilde Vogt. Und ...«
»Das glaubst du doch selbst nicht«, unterbrach sie Rodenstock.
Sie schwieg eine Weile. »Stimmt«, gab sie zu. »Das glaube ich
selbst nicht.«
»Also, ich bin der ältere Herr, der die Vernunft anbetet«,
erklärte Rodenstock. »Ich lese ein wenig, und vielleicht schlafe ich noch
einmal ein.«
»Ich halte es genauso und besuche dann Dinah im Krankenhaus.«
Emma sah mich aus schmalen Augen an. »Und selbstverständlich bestelle ich ihr
keine GrüÃe von dir.«
Rodenstock begann glucksend zu lachen, als ich kurz vor
Dockweiler über die Eisenbahnschienen ratschte. Irgendwann muÃte ich dann
grinsen und lachte schlieÃlich auch. Ich vermute, das war Ãbermüdung.
Trotzdem ging ich zu Hause zuerst in den Garten und sah den
Schwalben zu, wie sie meinen Teich anflogen. Mein Kater Paul brachte mir seine
Nachtbeute, eine ziemlich groÃe Maus. Vielleicht war es auch eine ziemlich
kleine Ratte. Paul war jedenfalls stolz und rieb sich schnurrend an meinen
Beinen. »Ich hau sie mir später in die Pfanne«, versprach ich ihm.
Dann besuchte uns die Bachstelze, die seit etwa vierzehn Tagen
mit groÃer RegelmäÃigkeit meine Kater angriff und dabei so tat, als sei sie
flügellahm. Vielleicht bekam sie eine neurotische Störung, wenn sie die Stubentiger
entdeckte.
Es war sieben Uhr, und ich schlich ins Haus, um ein wenig Ruhe
zu finden. Es war ein recht seltsamer Sonntag morgen, und meine letzten
Gedanken galten Dinah. Hoffentlich hatte sie keine starken Schmerzen.
Â
Es war Mittag, als ich aufwachte, und ich brauchte
lange Zeit, um an Deck zu kommen. Ich duschte und rasierte mich und fand, daÃ
es merkwürdig still war im Haus. Dann entdeckte ich durch das Fenster
Rodenstock auf der
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