Eifel-Kreuz
schätzte
ich.
»Guten Tag. Ich habe mir gerade unten den alten Hof angesehen«,
sagte ich. »Der steht wohl schon länger leer, oder? Bis wann wurde er
bewirtschaftet?«
»Bis nach dem Krieg«, gab die Frau freundlich Auskunft.
»Ich glaube, bis etwa 1950. Lohnte nicht mehr, die Arbeit zu schwer und nur
geringe Erträge. Mein Mann hat ja dann auch Installateur gelernt. Er war gar
nicht mehr hier im Ort tätig. Nur der Opa passt noch ein bisschen auf den Hof
auf und spricht von alten Zeiten.«
»Aha. Dann war er derjenige, der sich den Kellerraum
hergerichtet hat?«
»Nein, nein«, antwortete sie leicht kichernd. »Den Keller
hat er vermietet.«
»An wen kann man denn so etwas vermieten?«
»Tja, da müssen Sie Opa fragen. Jedenfalls kriegt er zwanzig
Euro im Monat dafür.« Sie schüttelte leicht ihren Kopf, als sei das unfassbar.
»Kann man da mal rein?«
»Warum nicht?Ist ja kein Geheimnis. Suchen Sie
einen Abstellraum?«
»Nein, das nicht. Wie ist dieser Keller ausgestattet, zu
was wurde er benutzt?«
»Es gab doch früher keine Eisschränke, es gab nichts,
worin man Verderbliches aufheben konnte. Gemüse, Kartoffeln, Milch, Eier,
Würste, alles von der Schlachterei. Keller wie dieser dienten als Kühlkeller.
Kartoffeln hielten da bis lange nach Weihnachten. Und die Leute waren ja nicht
so anspruchsvoll wie heute. Die heute leben ja im Luxus und haben keine Ahnung,
wie eng das mal war.« Da tönte leichte Verachtung mit.
»Soll ich Opa denn mal wecken? Er schläft jetzt viel und
er braucht auch lange, um aufzustehen.«
»Ich will nur mal reingucken, sonst nichts.« Den
Bruchteil einer Sekunde lang spielte ich mit der Idee, mich als Hobbyhistoriker
auszugeben. Ich lieà es, es gibt Lügen, die nicht notwendig sind.
»Tja, dann hole ich mal den Schlüssel.« Sie stand auf,
schlug die Schürze aus und ging in das Haus. Als sie wiederkehrte, sagte sie:
»Ich war selbst noch nie da drin.«
Wir zockelten durch den Garten und über die Wiese.
»Was übrig blieb, was die Leute nicht selbst benötigten,
brachten sie zum Tante-Emma-Laden«, erzählte sie weiter. »Der nahm Eier und
Milch und Käse und tauschte es gegen anderes wie Salz und Mehl und solche
Sachen ein. Aber auch Nähgarn und Knöpfe und so etwas. Es gab ja nix, was es
nicht gab.«
Unvermittelt lachte sie, drehte den Kopf zu mir und sagte:
»Neulich haben wir uns mit Opa unterhalten, was man in alter Zeit so am Leibe
trug. Wussten Sie, dass die Frauen und Männer gar keine Unterwäsche trugen,
weil es keine Unterwäsche gab?«
»Nein, wusste ich nicht. Aber die Zeiten sind gründlich
vorbei.«
»Ja«, sagte sie und dann lachten wir beide.
Die Frau stieg vor mir die betonierte Kellertreppe hinab
und sagte plötzlich: »Oh! Vorsicht!« Sie deutete auf einen Haufen menschlicher
Exkremente unterhalb der letzten Stufe. Ich dachte sofort an Wanda.
Sie drehte den Schlüssel, löste das Schloss und nahm den
schweren Eisenriegel ab.
Ich hatte einen Glückstreffer gelandet, wie sie sonst nur
in Filmen vorkommen: Gleich der erste Versuch hatte mich in den Keller geführt,
in dem Sven und Gabriele Wanda als Erstes untergebracht hatten. Ich sah die
Petroleumlampen, die Matratzen am Boden, ein kleines Regal mit Konserven
darauf. Es stimmte alles, bis ins Detail.
»Ich muss die Polizei benachrichtigen«, murmelte ich.
»Nicht doch. Weshalb denn das?«, rief die Frau gleichermaÃen
erstaunt wie erschrocken.
Ich erklärte es ihr und sie wurde immer blasser: »Ach, so
ist das.«
Ich rief Rodenstock an und sagte, was ich gefunden hatte.
»Ich habe nichts angerührt, aber Kischkewitzâ Truppe muss kommen. Wanda war
hier, das war ihr erstes Versteck. Soll ich warten?«
»Das wäre auf jeden Fall das Beste. Wo bist du genau?«
»Moment mal«, sagte ich und wandte mich an die Frau. »Wie
heiÃen Sie?«
»Biburg, wie die Stadt, nur ohne t. Vorname Elisabeth.«
»Ich habâs gehört«, sagte Rodenstock, »und gebe es sofort
weiter. Was machst du?«
»Ich bin nicht sicher«, antwortete ich. »Ich kann andere,
leer stehende Gebäude suchen, aber da kommen sehr viele infrage. Das ist also
verdammt langwierig. So ein Glück wie hier werde ich wohl kaum noch mal haben.
Das Einfachste ist, dass die Clique endlich damit rausrückt, wo
Weitere Kostenlose Bücher