Eifel-Kreuz
Eigentum verschaffen wollte. Erst recht würden sie aufmerksam
werden, wenn sich nachts ein Auto nähert.«
»Fällt Ihnen denn gar nichts ein, was auch nur entfernt
zu den Stichworten âºGasseâ¹ und âºetwas abseits gelegenâ¹ passen könnte? In
welchen Dörfern würden Sie mit der Suche beginnen?«
»Na ja, in Gönnersdorf wahrscheinlich.«
»Und noch ein Angebot?«
»Bewingen. Stroheich vielleicht. Das wird aber ein mühsames
Geschäft, die Dörfer abzulaufen.«
»Das schreckt
mich nicht. Einen Versuch ist es wert. Danke schön.«
Es war vollkommen
gleichgültig, wo ich begann, und da Stroheich gleich um die Ecke liegt, begann
ich dort.
Plötzlich lernst
du, ein Dorf aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten. Du wanderst die
Gebäude ab und steckst sie in Schubladen: Sind sie bewohnt, sind sie nicht
bewohnt? Wann sind sie gebaut worden? Können sie Kellerräume haben? Da steht
eine groÃe Scheune, aber du entdeckst kein Wohngebäude, was dazugehören könnte.
Das Haus ist wohl abgerissen, wurde nicht mehr gebraucht. Die Bauern, die dort
zu Hause waren, kannst du auf dem Friedhof besuchen, falls ihre Gräber noch
vorhanden sind. Dann fällt dein Blick auf ein kleines Wohngebäude, in
dessen Nähe keine Scheune steht, kein
Wirtschaftsgebäude. Wer wohnte dort? Der Lehrer, der Pfarrer, vielleicht ein
Arzt? Wie viele Generationen hat das Gebäude schon kommen und gehen sehen und
was überwog: das Leid oder das Glück?
Baumeister,
schweif nicht ab! Konzentriere dich auf deine Aufgabe. Konzentriere dich auf
das Gewirr der schmalen Streifen zwischen den Gebäuden, die einstmals
kleine DorfstraÃen waren. Nimm das Fernglas und versuche, im Geist Verbindungen
herzustellen zwischen Wohnhäusern und Scheunen, zwischen Stallungen, die seit
vielen Jahren verkommen. Versuche herauszufinden, wo früher die Mitte des Dorfes
war. Gehe von der elend kleinen Kirche aus, die kaum vierzig Leute fasst. Wohin
gingen diese Leute, wenn die Messe zu Ende war? Dann findest du die Wege von
einst.
Ich saà auf einem
alten Pfad im Gras, gleich neben der Baumschule van Pütten und starrte hinunter auf die scheinbar planlose
Anhäufung der Gebäude, die in meinem Kopf langsam an Struktur gewann.
Am jenseitigen
Hang gab es Neubauten. Sie standen jeweils auf dem Ende schmaler, langer
Grundstücke, deren andere Enden, zum Dorf hin, alte kleine Höfe bildeten, die
leblos in der Sonne lagen.
Ich fuhr in die Senke, lieà den Wagen neben dem kleinen
Kirchlein stehen und ging den Rest des Weges zu FuÃ. Die Neubauten waren in den
Sechzigern und Siebzigern des letzten Jahrhunderts gebaut worden, die alten
Häuser waren hundert Jahre und älter.
Zur StraÃe hin waren die Gehöfte verrammelt, intakte
Glasscheiben gab es nirgends, die Fensterhöhlen waren mit Brettern vernagelt
worden, so etwas wie Vorgärten konnte ich nicht ausmachen, hatte es wohl nie
gegeben. Ich spazierte durch einen schmalen Gang zwischen Gebäude eins und zwei
und erreichte die Rückfront. Das erste Gebäude war auch auf dieser Seite mit
schweren Hölzern abgedichtet worden. Doch im danebenliegenden Haus gab es eine
Türöffnung ohne Bretter und einen Niedergang in ein Kellergeschoss.
Das Erdgeschoss war eine Trümmerwüste, keine Wand stand
komplett, Sträucher waren hochgeschossen, einen Raum beanspruchte eine Weide
für sich.
Dann der Niedergang zum Keller, eine anscheinend recht
neu angelegte Treppe mit Stufen aus Beton. Ich machte mir nicht die Mühe
hinabzusteigen, denn die massive Holztür unten war mit einem schweren
Eisenriegel und einem groÃen Vorhängeschloss versehen worden. Das war das Ende,
denn vom Erdgeschoss aus gab es keine Treppe nach unten.
Ich riskierte nichts, wenn ich mich erkundigte. Also marschierte
ich über die Wiese ans andere Ende des lang gestreckten Grundstücks. Die Wiese
ging in einen liebevoll angelegten Garten über. Es gab zahlreiche Apfel- und Pflaumenbäume
und eine Rabatte, eng an einer Mauer. Die Hausfrau musste Blumen über alles
lieben, hier herrschte der Sommer, hier war nichts verbrannt, die wildesten
Farben blühten und Gräser mit schneeweiÃen groÃen Büscheln in fast zwei Metern
Höhe wogten im Wind.
Auf einer Bank an einem Tisch saà eine stämmige Frau,
neben sich einen groÃen Korb mit Stangenbohnen. Sie war Mitte fünfzig,
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