Eifel-Krieg
bekannter Ort, nichts daran war abgelegen oder einsam. Jedermann kannte das, die Eifeler ebenso wie die Touristen. Ein Kirchlein mitten im Wald, ein Fleckchen mit wilder Geschichte. Es war die Geschichte verfeindeter Bauern und verfeindeter Priester, die um Pfennige und Zuständigkeiten stritten. Eine Kapelle mit eigenem aufwendig restaurierten Kreuzweg rund um den Bau, errichtet für einen großen Gutsbetrieb, von dem kein Stein mehr übrig war.
Ich griff meinen Fotokoffer und machte mich auf den Weg nach Bongard und weiter nach Nohn. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete, aber im Grunde schien mir die Sache klar: Der Mollimacher hatte einen Spaziergang in den Wald gemacht und war damit unserem Heckenschützen aufgefallen. Der hatte irgendwo im Reich der Bäume auf ihn gewartet und abgedrückt.
Tatsächlich aber war dann alles ein wenig anders, ein wenig grausamer, schockartig.
Kurz hinter Bongard führte die Straße nach Nohn rechts in den Wald. Da gab es Beschilderungen, man konnte es nicht verfehlen. Nach fünfzig Metern ging es sofort nach links auf die Heyerkapelle zu. Es war ein merkwürdiger Ort, wenn man wusste, dass hier früher Felder waren und Korn angebaut wurde.
Es herrschte ein reger Betrieb. Uniformierte Polizei mit Streifenwagen, Kriminalpolizei mit mehreren Fahrzeugen, der uralte, kackbraune Mercedes von Kischkewitz, der Labor- und Technikwagen der Mordkommission. Zwei Sendefahrzeuge des Fernsehens, einer von der
ARD
, der zweite von
RTL
. Das Fahrzeug eines Bestatters.
Kurz vor der Heyerkapelle hatten sie ein Plastikband quer über den Weg gespannt, ein Uniformierter stand davor und musterte alle Anwesenden so feindselig, als wäre er bereit, sich zu prügeln. Ich konnte die Bank, auf der der Tote saß, zwar schon sehen, aber Einzelheiten waren nicht auszumachen.
Dann gab es ein jähes, heftiges Geschrei. Ein Mann brüllte laut und aufgeregt: »Sie Arschloch!« Eindeutig Kischkewitz.
Ein kleiner Mann, ein Junge noch, der eine dieser winzigen Handkameras trug, kam zwar sehr schuldbewusst quer durch den Tatort marschiert, grinste uns aber frohgemut zu. Er zeigte eine aufgeregte Siegermiene und hatte wahrscheinlich Aufnahmen im Kasten, die nicht zu toppen waren.
»Herrgott!«, brüllte Kischkewitz wütend. »Und keine Störung mehr!« Dann setzte er noch einen drauf: »Falls ich Kameras in diesem Bereich hier sehe, werden die zerstört. Niemand kommt hier von hinten! Und jetzt wollen wir arbeiten.«
Eine Kollegin, die die
dpa
in Trier vertrat, sah mich und kam zu mir.
»Kann ich eine Aufnahme von dem Toten auf der Bank haben?«, fragte sie mich.
»Kannst du, wenn ich eine habe.«
»Aber du gehst doch durch, oder?«
»Wahrscheinlich«, nickte ich. Ich rief Holger Patt an und sagte: »Ich bin hier.«
»Komm durch«, war die knappe Antwort.
Ich grinste also dem Uniformierten zu und marschierte an ihm vorbei. Nichts in seinem Gesicht regte sich.
Kischkewitz sah mich und murmelte: »Das hier ist ein Quiz, Junge. Und du kriegst einen Orden, wenn du das löst.«
Der Tote auf der Bank hatte kein Gesicht mehr. Vor seinem Bauch lag ein weißes DIN-A4-Blatt mit großen, schwarzen Buchstaben darauf. Dort stand:
Schöne Grüße!
Fritz Dengen fotografierte den Leichnam mit der ihm eigenen Gründlichkeit. Er hob nur kurz den Kopf und lächelte schmal. »Schöne Sauerei.«
Patt kniete vor dem Toten, rutschte mehrmals hin und her, verschob seine Position nur um zehn oder zwanzig Zentimeter und hatte in der rechten Hand eine sehr große Pinzette, mit der er an der Kleidung des Toten herumzupfte. Wie üblich sprach er beruhigend mit sich selbst, war aber nicht zu verstehen.
Kischkewitz saß merkwürdigerweise auf einem Segeltuchschemel und machte einen sehr abgehobenen Eindruck, als wäre er gar nicht vorhanden.
Ich nahm meine Kamera und fotografierte den Toten von allen Seiten, sodass ich auch die Kapelle im Hintergrund auf ihrem kleinen Hügel mit drauf hatte.
»Ich habe mehrere große Waldameisen«, sagte Patt zu Kischkewitz. »Die sind wahrscheinlich auf ihn gekrochen, als er umgefallen ist.«
»Wie viele Ameisen?«, fragte Kischkewitz.
»Bisher elf. Aber wir können ihn nicht abtransportieren, bevor ich nicht den Rücken abgesucht habe. Geht aber schnell.«
»Was sagt der Doktor?«
»Der sagt, was wir schon wissen. Er wurde auf keinen Fall hier erschossen.«
»Dann nehmen wir ihn runter, legen ihn auf eine Unterlage, und du guckst dir den Rücken an.«
»Das wäre gut«, antwortete
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