Eifel-Liebe
nicht am Ende. Anfangs glaubte sie wirklich, ihr Verlobter sei der Richtige. Aber dann stellte sie für sich fest, dass er das nicht war. Ich denke, das darf ich Ihnen sagen. Der Kripo habe ich das auch gesagt.«
»Glauben Sie, ein verflossener Lebensgefährte kann sie getötet haben?«
»Möglich«, nickte er. »Doch ich vermute, dass die bereits alle überprüft wurden. Mich wundert, dass Sie nicht fragen, ob ihr jetziger Verlobter, der Gernot Meyer, sich darüber im Klaren gewesen ist.«
»Das hätte ich jetzt getan. War er es?«
»Das frage ich mich selbst. Eher nein, glaube ich. Er war ihr Feigenblatt.«
»Könnten Sie das bitte wiederholen?«, fragte ich verblüfft.
Er lächelte. »Ich sagte, Gernot Meyer war Elviras Feigenblatt. Sie selbst hat das nie so ausgedrückt, aber ich denke, das trifft es. Vermutlich hatte sie Angst, irgendwann allein dazustehen, niemanden neben sich im Bett zu haben. Und sie war alt genug, solche Zukunftsängste zu entwickeln, nicht wahr?«
»Wann wollten die beiden denn eigentlich heiraten?«
»Das war nicht akut. Irgendwann. Aber ich glaube, sie wären die ewigen Verlobten im schönen Bettenfeld geblieben.«
»Was hielt die beiden denn dann, verdammt noch mal, zusammen?« Aus irgendeinem Grund war ich plötzlich wütend.
Er sah mich schnell an. »Zusammen? Sie haben nicht zusammengelebt.«
»Markus Klinger, haben die beiden miteinander geschlafen, wissen Sie das?«
Behutsam schüttelte er den Kopf. »Weiß ich nicht. Wie ich eben sagte, er war ihr Feigenblatt – und sie war seines. Sie brachte auch in sein Leben eine gewisse Normalität. Er ist achtunddreißig und er, das weiß ich bestimmt, hatte noch nie eine tiefer gehende Liebesgeschichte. Damit verrate ich nichts Intimes, das ist allseits bekannt. Er ist … na ja, er ist schrecklich asexuell. Der liebe Jung von nebenan. Ich kann ihn mir gar nicht vorstellen, wie er mit Elvira Klein durch die Sonne geht und Händchen hält. Oder wie er neben ihr im Bett liegt. Schon gar nicht bei so etwas wie Geschlechtsverkehr. Deshalb glaube ich auch nicht, dass er sie getötet hat.«
»Was sucht denn der liebe Jung von nebenan in dieser Clique?«
Markus Klinger legte sich auf den Rücken, verschränkte die Hände unter dem Kopf und starrte in den Himmel.
»Das ist ein schöner Tag«, seufzte er. »Ich nehme an, er suchte Menschen – wie wir alle. Sein Leben verlief schon irgendwie merkwürdig. Bis er dreißig Jahre alt wurde, wohnte er noch im Haus seiner Eltern. Sein Vater ist schon lange tot, aber seine Mutter kümmerte sich um ihn, sie wäscht ihm noch heute die Wäsche und bügelt seine Oberhemden. Jeden Tag ist sie in seinem Haus in Bettenfeld. Ja, der Dreißigjährige ist auf einmal hingegangen und hat sich tatsächlich ein neues Haus gebaut. Ein riesiges Haus, zweihundert Quadratmeter Wohnfläche. Darin lebt er ganz allein. Allerdings bewohnt er eigentlich nur seine Küche und sein Schlafzimmer. Die anderen Räume sind dicht und dunkel. Ist das nicht verrückt? Er hat mir mal angeboten, kostenlos zwei Räume bei ihm zu beziehen. Das fand ich schon irgendwie komisch.«
»Vielleicht ist er einfach ein netter Kerl, vielleicht hätten Sie das akzeptieren sollen. Aber trotzdem reicht mir Ihre Auskunft nicht. War Elvira Klein bei ihm zu Hause, sie muss doch mal über Nacht geblieben sein? Das wäre doch wohl normal«, sagte ich.
»Ja, vielleicht wäre das normal«, murmelte er. »Aber soviel ich weiß, gab es das nicht. Auch umgekehrt, wenn Meyer Elvira besucht hat, er ist nachts immer zu sich nach Hause gefahren.«
Wir schwiegen eine Weile.
»Was dachten Sie, als Sie vom Tod der Elvira Klein erfuhren?«, fragte ich.
»Ich war sehr erschrocken, ich glaube, ich bin leichenblass geworden. Sie war so lebendig, eine freche Frau, eine, die alles Mögliche infrage stellte. Ehe zum Beispiel, Kinder, Familie.«
»Fällt Ihnen ein möglicher Täter ein?«
»Nein, wirklich nicht. Und dann noch der Schock mit Kinsi! Dass der Selbstmord gemacht haben sollte, habe ich zwar sowieso nicht glauben können. Kinsi war mit seiner Verlobten bei mir gewesen, ich sollte sie trauen, ich habe mich drauf gefreut. Dann die Nachricht, dass er sich erhängt hat. Ich war fassungslos. Warum sollte sich dieser Mann das Leben nehmen? Er war in des Wortes wahrstem Sinn ein heiterer Mensch. Ich konnte mir keine Krise vorstellen, weshalb derer er sich umbringen sollte. Aber die Vorstellung, dass ihn jemand umgebracht hat, ist
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