Eifel-Liebe
hältst, habe ich beschlossen, den Inhalt dieses Glases meinen Tieren zu spendieren.«
Sie sagte keinen Ton, sie prustete nur.
Im Schatten der Esskastanie, die schon groß genug war, einen richtigen Schatten zu werfen, teilte ich dann die Beute unter meinen Tieren auf. Ein winziges Stückchen Geflügelwurst geriet vor die Schnauze des Koikarpfens mit dem schönen Namen Zarathustra, der das Maul aufriss und einmal schluckte. Ich bin mir nicht sicher, aber ich bildete mir ein, dass er mir anschließend kumpelhaft mit dem rechten Auge zublinzelte. Falls jemals die Koikarpfen die Herrschaft auf diesem Planeten antreten, bin ich in jedem Fall fein raus.
Dann geschah das Unvermeidliche, das ich seit dem Aufstehen fürchtete. Vera war am Telefon, sie sagte kühl und geschäftsmäßig: »Hallo. Ich müsste vorbeikommen und einige Sachen holen, die ich zum Anziehen brauche.«
»Oh, kein Problem. Komm vorbei, wann immer du willst. Ruf vorher an, dann ist auch jemand da. Und außerdem hast du einen Schlüssel.«
»Ich wollte jetzt sofort losfahren. Es ist dringend.«
»Klar. Du wirst Tante Anni aus Berlin vorfinden. Sie ist eine liebe alte Freundin und weitläufig verwandt mit mir. Du wirst schon mit ihr klarkommen.«
»Du wirst nicht da sein?«
»Auf keinen Fall«, versicherte ich freundlich.
»Wahrscheinlich hast du wegen der drei Morde viel Arbeit?«
»Ja. Aber das ist es nicht. Ich möchte im Moment nicht mir dir zusammentreffen und sinnlose Gespräche führen. Komm nur her, Tante Anni wird dich freundlich behandeln. Und nun tu dir den Gefallen und beende diese Quälerei.«
»Ja«, sagte sie und legte auf.
»Na, das war doch grandios!«, erklärte ich meinen Tieren. Anscheinend wirkte ich nicht überzeugend, sie reagierten nicht, sondern lümmelten sich weiter in der Sonne.
Mit unendlicher Langsamkeit kam ich wieder zu mir, nahm die Wärme der Sonnenstrahlen wahr, die Farben um mich her, die Reihe der Lavendelbüsche, das sanfte Rauschen des Windes in den Birken, die gelben Blüten der Hahnenfußgewächse, die späten rot leuchtenden Punkte der Sommertulpen, den kleinen Busch der weißen Rosen unter dem wilden Knöterich. Im Teich knabberten Goldfische im Wurzelwerk des wilden Reis, die Halme bewegten sich ruckhaft. Dann schlugen die Glocken im Kirchturm neben mir an. Es war halb zwölf, ich war zu Hause, die Welt schien friedlich.
»Vera wird kommen und ihre Sachen packen«, sagte ich zu den Tieren. »Sie wird verschwinden und es tut mir Leid, dass es so gelaufen ist. Menschen gehen so miteinander um, es ist ihre Art, denn nichts ist für die Ewigkeit. Ihr müsst euch nicht grämen, ihr müsst auch nicht trauern, es reicht, wenn ich das tue.«
Tante Anni erschien an der Hausecke und rief: »Es gibt Essen.«
Wir hockten uns in die Küche. Eigentlich aß Tante Anni nicht, sie arbeitete. Essen war nichts Genussvolles, eher etwas Lästiges, das man erledigen musste, um weiterarbeiten zu können.
»Du stehst unter Stress, nicht wahr?«
Sie hielt inne und nickte, ohne ein Wort zu erwidern.
»Ich fahre gleich mal in die Landschaft, ich will mir den Auffindungsort von der toten Elvira Klein noch einmal ansehen und darüber nachsinnen. Während dieser Zeit wird Vera kommen. Vera ist eine Freundin, die noch einige Klamotten hier hat. Die will sie abholen.«
»Du willst ihr ausweichen?«, fragte Tante Anni sachlich.
»Ja«, gab ich zu. »Außerdem ist es möglich, dass ein gewisser Rodenstock anruft. Er ist mein bester Freund. Sag ihm, er kann mich übers Handy erreichen. Und ansonsten wollte ich dir noch sagen, dass es mir Freude bereitet, dass du hier bist. Selbstverständlich kannst du so lange bleiben, wie du willst.«
So was konnte sie nicht gut ertragen, sie lief puterrot an und wandte das Gesicht zur Seite.
»Der Hund heißt Cisco, die Katzen heißen Paul, das ist der Graue, und Satchmo, das ist der Hellere. Ach, da fällt mir noch was ein. Du hast doch erzählt, dass niemand in Berlin weiß, wo du hingefahren bist. Vielleicht wäre es gut, deiner zuständigen Polizeiwache kurz mitzuteilen, dass sie keine Vermisstenmeldung zu Protokoll nehmen sollen und unter welcher Telefonnummer du zu erreichen bist.«
»Das ist gut, das mache ich sofort.«
»Prima. Unten an der Kirche hängt ein Briefkasten. Schräg gegenüber wohnen Maria und Rudi Latten sowie Beate und Rainer Latten, die Kinder samt Enkeln. Die wissen immer Rat, wenn du irgendetwas nicht weißt oder wissen willst. Das wäre
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