Eifel-Sturm
einem Parkplatz aus ein Waldweg hoch. Du erreichst ein Plateau. Da steht ein kleines Haus. Und da sind wir.«
»Wer wir?«
»Na ja, Kischkewitz und ich und ein paar seiner Leute.«
»Und was soll ich da?«
»Hörst du schlecht? Annette von Hülsdonks Mörder hat sich dort verschanzt. Der Junge hat einen Haufen Waffen – weiß der Himmel woher. Also, komm schon.«
»Lass mich raten. Es ist dieser Freund von ihr, Bastian oder Sebastian.«
»Woher weißt du das?«
»Ein Kollege erzählte von ihm. Ich komme.«
Ich sagte also meiner frisch bezogenen Wohnung ade und fand die Aussicht, das Chaos wenigstens vorübergehend zu vergessen, sehr angenehm. Doch ich geriet in Schwierigkeiten, weil Deudesfeld eben nicht Brück ist und weil ich nicht genau wusste, wie ich von dort schnellstmöglich nach Hellenthal kam. Ich entschied mich für Schutz, Niederstadtfeld, Oberstadtfeld, Neroth und Pelm. Dann über die Kasselburg Richtung Junkerath.
Was mich jetzt doch erheblich störte, war die Tatsache, dass ich stank. Man soll nach einem Brand zumindest versuchen, unter eine Dusche zu kommen. Ich trug seit mindestens drei Tagen und Nächten dieselbe Kleidung. Was macht man in Zeiten akuter Jeansnot und geradezu hochpeinlichem Mangel an frischen Unterhosen?
Ich fuhr schnell, auf den Straßen war es leer. Sicherheitshalber hatte ich sämtliche Scheinwerfer hochgeschaltet und wirkte wahrscheinlich wie ein wahnsinnig gewordener Weihnachtsbaum.
Als ich aus dem Wald hinaus auf die Hochfläche gelangte, sah ich rechts hinter den ersten Bäumen die Autos stehen. Ich schaltete die Scheinwerfer aus und fuhr dorthin.
Kischkewitz und Rodenstock saßen auf zwei alten Baumstümpfen und schienen sich gemütlich zu unterhalten.
»Er hat keine Chance«, erklärte Kischkewitz und wies hinaus auf die Wiesenfläche, die sehr groß war. Inmitten dieser Fläche stand ein kleines Haus. Eigentlich war es kein Haus, es hatte wohl mal als Scheune gedient und jemand hatte Fensteröffnungen hineingebrochen und sich das Gemäuer eingerichtet. Es gab keinerlei Deckung auf dem Weg dorthin, nur die Wiese, und die war gemäht.
»Und was ist hinter dem Haus?«, fragte ich.
»Wiese«, sagte Rodenstock einfach. »Da liegen Leute von uns auf dem Bauch. Rechts und links auch. Ein Beamter hat schon einen satten Streifschuss abbekommen. Der Junge hat teuflisch gute Augen und er schießt sehr präzise.«
»Was hat er für Waffen?«
»Das wissen wir nicht genau. Mit Sicherheit ein Gewehr, wahrscheinlich eine Schrotbüchse und zwei oder drei Revolver und – möglicherweise – sogar eine Maschinenpistole.«
»Woher wisst ihr das alles?«
»Von dem Bauern, dem die Scheune ursprünglich gehörte. Er hat sie dem Vater des Jungen verkauft. Und der hat seinem Sohn erlaubt, sich das Häuschen auszubauen. Der Bauer hat den Jungen mehrere Male dabei beobachtet, wie er mit verschiedenen Waffen Schießübungen veranstaltet hat.«
»Und warum sollte er Annette umgebracht haben?«
Eine Weile herrschte Schweigen.
Dann riskierte Rodenstock eine Überlegung, eine gute Überlegung. »Ich denke, Annette und er waren fast ein Leben lang eng befreundet und sie haben sich oft in diesem Haus getroffen, Kerzen angezündet, Wein getrunken. Das erzählt der Bauer und es gibt daran keinen Zweifel. Ob die Beziehung derart war, dass sie miteinander geschlafen haben, das wissen wir natürlich nicht; der Bauer glaubt es. Ich denke, Bastian hat in der letzten Zeit erleben müssen, dass ihm diese Frau entglitt. Sein Vater hat uns heute Morgen erklärt, dass Bastian nicht damit fertig wurde, dass Annette sich zunehmend mit Dingen beschäftigte, von denen er keine Ahnung hatte und die er nicht verstand. Also Windkraftanlagen, die Gründung eines eigenen Hotels. Und Bastian gönnte Annette keinem. Es gibt Zeugen dafür, dass Annette ihm gesagt hat, sie habe in Zukunft nicht mehr so viel Zeit für ihn. Da ist wohl seine Welt zusammengebrochen. Also hat er sie erschossen. Er hat sie bestraft, verstehst du?«
»Das ist eine Möglichkeit. Aber was ist mit Driesch?«
»Ich habe darüber nachgedacht«, meinte Kischkewitz. »Und ich komme zu dem Schluss, dass Bastian sehr wohl auch hier der Täter gewesen sein kann. Die Begründung geht in die gleiche Richtung wie Rodenstocks Überlegung. Bastian muss erleben, dass Driesch und Annette an diesem Windrad-Projekt arbeiten. Er ist davon ausgeschlossen, er darf nicht mitmachen. Driesch ist also ein Feind. Bastian beginnt Driesch zu hassen. Und er
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