Eifel-Sturm
voll Wasser laufen. Mit dem Eimer in der Hand lief ich die Treppe wieder hoch. Ich öffnete die Tür zum Dachboden und versuchte, das Licht einzuschalten. Es funktionierte nicht.
Etwa zwei Meter vor mir brannte auf dem Fußboden ein kleines, lustig flackerndes Feuer. Ich goss das Wasser darauf. Eine Wolke stinkenden Qualms erwischte mich und ich bekam keine Luft mehr. Taumelnd bewegte ich mich zurück in die Richtung, in der ich die Tür vermutete. Ich ertastete den neu eingebauten Schaltkasten des Hauses, dann den Türrahmen. Und als ich mich herumdrehte, sah ich, dass hoch über mir der Firstbalken brannte – lichterloh.
Intuitiv rannte ich hinunter, so schnell das in der Dunkelheit möglich war. Nun war auch in der Küche das Licht aus. Ich weiß nicht mehr genau, ob ich erst nach links zu Andrea und Günther Froom rannte oder nach rechts zu Maria und Rudi Latten. Ich weiß nur, ich klopfte an beide Fenster und Türen und schrie: »Ich brauche die Feuerwehr!«
Noch eines ist mir deutlich in Erinnerung geblieben: Ich nahm das alles nicht sonderlich ernst. Das würde irgendwie in den Griff zu kriegen sein. Katastrophen treffen bekanntlich immer nur andere Menschen, niemals einen selbst.
Ich lief wieder zurück ins Haus. Mein Verhalten folgte keinen Überlegungen. Weder wollte ich den Computer herausholen, was angesichts der gespeicherten Texte wirklich vernünftig gewesen wäre, noch wollte ich irgendwelche wichtigen Unterlagen und Papiere retten. Tage später habe ich mit meinen Freunden diskutiert, was man in so einem Fall wirklich in Sicherheit bringen muss. Sie wussten es genauso wenig wie ich. »Man schafft die Kinder raus. Der Rest ist scheißegal«, sagte Günther kurz angebunden.
Da erschienen junge Männer in Feuerwehruniformen im Flur und auf der Treppe. Jemand sagte: »Auf den Dachboden kommen wir nicht mehr.« Ein anderer legte mir eine Hand auf die Schulter und fragte: »Was muss raus? Schnell!« Ich konnte nicht antworten. Dann war ein älterer Mann an meiner Seite, der ganz gemütlich wie bei einem Kaffeeklatsch sagte: »Also, Jung, nun musst du hier aber mal raus und uns machen lassen.« Männer kamen an mir vorbei, die etwas trugen. Computerteile, einen Arm voll Aktenordner, Bücher. Als würde ich aus einer Ohnmacht erwachen, nahm ich nun neben dem Knallen des Feuers auch das Rauschen des Wassers wahr, das durch die schweren Rohre der Feuerwehren gepumpt wurde. »Wir haben höchstens noch fünf Minuten«, rief jemand. »Dann ist zappendüster.«
Ich ging auf den Hof und stellte mich zu den anderen Zuschauern. Es war immer noch so, als ginge mich das Ganze nichts an. Ich dachte hilflos: Das kriege ich in den Griff.
Wir starrten auf das Dach und beobachteten, wie die Glut sich wie eine Blase hochblähte, wie zwischen den Dachpfannen grellrote Flammen sichtbar wurden. Einer meiner Nachbarn sagte: »Das schafft keine Feuerwehr!«
Von den folgenden vier Stunden, in denen wohl an die fünfzig Feuerwehrmänner mit Kran und schwerem Gerät ein scheinbares Durcheinander schufen, blieben nur bestimmte Sekunden haften. Wortfetzen, ein Fluch, der Ruf nach Wasser, Befehle, die ich nicht verstand. Ich hatte das Gefühl, auf einer Insel zu stehen und zu niemandem zu gehören. Langsam kroch Entsetzen in meine Seele, machte sich breit wie eine Kältewelle.
»Andreas Haus können wir retten!«, hörte ich jemanden zuversichtlich sagen. »Baumeisters Haus ist im Eimer.«
Dann bemerkte ich Udo Froom. Es war sein Vaterhaus, das da verbrannte, das Haus seines Lebens. Seine Frau Doro hielt seine Hand.
Der Arzt Detlef Horch, der als Notarzt des Deutschen Roten Kreuzes mit einem Krankenwagen hergekommen war, sprach mich an: »Komisch. Heute Mittag wollte ich dich noch besuchen, um ein Schwätzchen zu halten. Und jetzt das.« Dabei legte er den Arm um meine Schulter. Daran kann ich mich sehr gut erinnern. Das half.
Mehr als hundert Zuschauer hatten sich eingefunden. Das ganze Dorf stand da. Ein Mann nippte gemütlich an einem Glas mit Wodka, und eine Frau jubelte: »Das ist ja viel schöner als fernsehen.«
Eine alte Frau, deren Namen ich nicht kannte und die sich einen schweren Mantel um die Schultern gehängt hatte, machte ebenfalls einen belustigten Eindruck. »Da schläfst du drüber und dann baust du es wieder auf. Ist ja nichts passiert.«
Irgendwann begann ich zu frieren und wollte ins Haus gehen, um mir einen Pullover zu holen. Da fiel mir ein: Pullover habe ich keine mehr.
Langsam kam der Tag, der
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