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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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süffisant: »Vielleicht ist dies der Fall des Jahres, der niemals aufgeklärt wird.«
    »Nicht aufgeklärte Fälle dieser Art sind nicht vorstellbar«, widersprach seine Gefährtin.
    »Wenn dem Täter alle möglichen Zufälle in die Hand spielen, klären wir es zu unseren Lebzeiten nicht mehr«, sagte Rodenstock weise. »Unter Menschen kommt das häufiger vor, als wir uns zugestehen.«
    Natürlich konnte Emma sich nicht zurückhalten und fragte scheinheilig: »Wie schläft es sich in deiner neuen Wohnung?«
    »Da musst du die Dame fragen, die heute Nacht bei mir war. Allerdings habe ich ihren Namen vergessen«, grinste ich.
    Rodenstock lachte und legte seine Hand auf Emmas Schulter. »Lass ihn. Er wird dich unterrichten, wenn er das will.«
    »Da sorgt man sich und wird mit Schweigen bestraft«, seufzte sie. »Wir fahren übrigens noch nach s'Hertogenbosch. Heute Abend ist da ein Konzert, zu dem wir eingeladen sind.«
    »Der internationale Jetset«, murmelte ich. »Ich werde Regale aufstellen, Bretter eindübeln und derartige Dinge treiben. Vielleicht installiere ich noch diese oder jene Lampe und packe diese oder jene Bücherkiste aus. Ich bin ein Teil der arbeitenden Bevölkerung.«
    Als sie gefahren waren, rannte ich fast zum Parkdeck am Aukloster, denn mir war eine Idee gekommen, wie ich möglicherweise zur weiteren Aufklärung beitragen konnte. Mein Ziel hieß Albert Tenhoven, Ökobauer am Weißen Stein, der aus bisher unerfindlichen Gründen seit Montag, dem Tag des Mordes an Jakob Driesch, verschwunden war.
    Deshalb fuhr ich zurück auf die B 258 bis Schöneseiffen, dann nach rechts auf Hellenthal zu, am Wildpark vorbei. Ab Hollerath über eine der schönsten Straßen der Eifel, immer eng an der Grenze zu Belgien entlang, bis zum 690 Meter hohen Weißen Stein, oberhalb Udenbreth, Neuhaus und Schmidtheim. Eine Traumgegend, von der ich oft gedacht hatte, sie würde mir als Standort eines Holzhauses gut gefallen. In den letzten Jahren war sie als Wintersportplatz ein wenig verkommen, da die Eifel zu wenige echte Winter verzeichnete, zu sehr unter der Klimaerwärmung zu leiden hatte.
    Es gab genügend Wanderer, die Parkplätze waren gut besucht, und ich hatte keine Mühe, einen Eingeborenen aufzutreiben, der mit einem Obststand einen der Parkplätze beherrschte und auf meine Frage, wo Tenhoven zu finden sei, antwortete: »Da nimmst du die Straße nach Neuhaus runter. Und gleich nach der ersten Linkskurve siehst du rechts den Hof am Hang liegen. Aber vorsichtig, der Sauhund hat höllisch scharfe Köter.«
    »Menschenfresser?«
    »Na ja, reicht ja, wenn sie dich anknabbern«, erwiderte er grinsend. Er hatte ein Gesicht so rot wie eine japanische Sonne, und hinter einem Berg rotbäckiger Äpfel stand eine Flasche ohne Etikett mit kristallklarer Flüssigkeit.
    »Selbst gebrannt?«, fragte ich.
    »Aber sicher!«, strahlte er. »Satte achtundvierzig Prozent. Und so seidig sanft, dass dir die Tränen kommen.«
    »Verkaufst du mir eine Pulle?«
    »Mach ich, aber nur, wenn du die Schnauze hältst!«
    Das versprach ich, dachte an Rodenstock, der gerne die Edelbrände der Eifel genoss, und packte die Flasche in den Kofferraum.
    Nach wenigen Minuten schon sah ich rechter Hand den Hof am Hang liegen. Ich nahm die schmale asphaltierte Piste hinauf und rollte vor das Wohnhaus. Es war der Hof eines Freaks, man sah es an jeder Kleinigkeit. Alles in allem ein mordsmäßig unordentlicher Eindruck, wild wucherndes Unkraut, mindestens vier Traktoren, bei denen unklar war, ob sie zur Reparatur standen oder fahrfähig waren. Eine Menge rostender Eggen und Pflüge, eine Heerschar neugieriger Katzen, vier tobende Hunde in einem Zwinger und mittendrin ein riesiger Küchentisch, mindestens vier Meter lang, an dem ein bunt gekleidetes Volk saß, sich prächtig zu amüsieren schien und den Eindruck erweckte, als sei es gerade als fahrender Haufen aus dem Mittelalter in die Neuzeit gefallen. Die Haustür war offen, auf der Schwelle dröhnte aus einem Ghettoblaster ein John-Lennon-Song in die Eifel.
    Ich stieg aus und schrie: »Hallo!«
    Niemand reagierte, niemand konnte reagieren, sie waren fröhlich trunken. Ich überlegte, wer wohl die Hausherrin sein könnte. Am Tisch saßen einige sehr hübsche Frauen, die offensichtlich eine Menge Kleidung mit dem Ziel angelegt hatten, möglichst zerlumpt und unordentlich zu erscheinen. Ich nahm die mit langen, rötlichen Haaren, stämmiger Figur und Händen wie Schaufeln. Sie erschien mir angesichts des

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