Eifel-Sturm
illegales Geld gewesen sein. Ich habe also in heller Panik alle Leute angerufen, denen er zu Geld verholfen hat. Unternehmer in Sachen Windräder und andere Unternehmer hier aus der Region. Niemand weiß was und jeder von denen sagt: Du flippst aus, das kann ich verstehen, aber so was hat er nicht gemacht! Doch der Gedanke lässt mich nicht los. Ich habe gedacht: Vielleicht hat er Versicherungen zu Geld gemacht, kapitalisiert. Im Laufe eines Lebens ist da eine Menge zusammengekommen. Ich habe stundenlang mit allen möglichen Versicherungen telefoniert. Nichts, keine Spur. Sicherheitshalber habe ich auch alle Banken angerufen. Noch mal nichts, noch mal keine Spur.«
Das Feuer knisterte, die Flammen spiegelten sich auf den schönen antiken Möbelstücken, die Anna ihr Leben lang gesammelt und selbst restauriert hatte.
»Ich sitze hier und lege Bänder auf. Da spielt Jakob Klavier drauf. Ich höre ihm zu und ich weiß, er ist gegangen.«
Vera hockte verloren da und hielt die Hände vor ihr Gesicht.
Anna sagte: »Geben Sie mir noch eine Zigarette?«
Ich gab ihr Feuer. Ich war mit meinem Latein zu Ende. »Tja, dann wollen wir mal wieder.«
Doch Anna redete weiter: »Da ist noch etwas, was ich nicht verstehe. Normalerweise hatte er sein Handy bei sich. Und er rief immer an, wenn es später wurde, als er vorher angenommen hatte. Oder ich habe ihn angerufen und gefragt: Wann kommst du? Aber an dem Sonntag rief er nicht an, und als ich nachts um eins versuchte, ihn über Handy zu erreichen, war es nicht eingeschaltet. Und das ist wirklich so gut wie nie vorgekommen.«
Wir sprachen nicht mehr, Vera und ich gaben Anna die Hand und gingen hinaus in die Sonne.
Im Wagen meinte Vera: »Sie ist eine starke Frau, die wird das packen. Kannst du mich zur Kommission fahren?«
»Selbstverständlich. Vielleicht hat Driesch ja während der fehlenden neun Stunden jemanden getroffen, der mit der Planung der Windradanlage zu tun hat...«
»Das haben wir überprüft, das fällt aus. Wir haben mit Höchstgeschwindigkeit alle möglichen Partner in allen möglichen Projekten und Gremien befragt. Nichts, absolut nichts. Es ist so, als hätten die neun Stunden niemals existiert.« Sie zündete sich eine Zigarette an. »Ich wollte dir noch sagen, Siggi, dass das keine Folgen haben wird.«
»Was, bitte?«
»Na ja, das von heute Nacht.«
»Was denn für mögliche Folgen?«
»Dass ich eine Wiederholung will und dir auf die Nerven gehe.«
»Und wenn ich dir auf die Nerven gehen will?«
Sie schwieg eine Weile. »Dann würde mich das freuen. Ehrlich. Was treibst du heute noch?«
»Ich weiß es noch nicht. Ich rufe gleich mal Rodenstock an. Wahrscheinlich bleibe ich in Monschau und gehe spazieren.«
»Was heißt das?«
»Wenn Driesch sein Auto oben auf dem Berg geparkt hat, dann ist er in der Altstadt zu Fuß unterwegs gewesen. Ich will in ihn reinkriechen. Das bedeutet, dass ich die Monschauer fragen werde. Und zwar jeden, der mir begegnet.«
Wir zockelten über die B 258 nach Schöneseiffen hoch. Immer noch waren sehr viele Touristen unterwegs. Es ging schon auf 16 Uhr zu. Ich versuchte Rodenstock zu erreichen und erwischte ihn auch.
»Ich bin unterwegs nach Monschau, ich will mir den Tatort und andere Dinge ansehen.«
»Ich bin schon da«, sagte er. »Mit Emma, also sind wir komplett. Komm einfach auf die evangelische Brücke. Hast du dich ausschlafen können?«
»Ja, habe ich. Bis gleich.«
Ich parkte auf dem Parkdeck vor dem Aukloster, der Betrieb war wie immer am Wochenende enorm.
Vera verabschiedete sich: »Also, bis demnächst.«
»Es war schön«, sagte ich.
»Das ist gut.« Sie verschwand hinter der schönen hölzernen Tür. Wahrscheinlich würde sie bis tief in die Nacht hinein Berichte diktieren, Protokolle nachlesen, Hinweise vergleichen, telefonieren und zwischendurch eine kalt gewordene Pizza essen und entschieden zu viel Kaffee trinken.
Ich drängelte mich zwischen den Sonntagsbesuchern über den Markt, dann durch die enge Rurstraße auf die evangelische Brücke zu.
Rodenstock und Emma lehnten an dem gusseisernen Geländer der Brücke und schauten flussabwärts. Sie waren durch nichts von den übrigen Touristen zu unterscheiden – ein älteres Paar eben, das etwas aus dem sonnigen Sonntag machen wollte.
»Sind euch erhellende Ideen gekommen?« Jetzt bemerkte ich es auch. Die Polizei hatte den Tatort abgesperrt, im Grunde nichts als ein Flussbett. Die rotweißen Plastikbänder flatterten im Wind. Auf der
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