Eifel-Sturm
Beichtgeheimnis fallen. Doch erfahrungsgemäß gibt es kein Leben ohne Schattenseiten. Wie sahen die bei Jakob Driesch aus?«
»Ist Erschöpfung eine Schattenseite?«, fragte er.
»Nein, auf keinen Fall. Aber er war doch kein Heiliger, oder?«
»War er nicht. Gott sei Dank. Manchmal, das darf ich sagen, hatte er Fluchtgedanken. Aber wer in einem solchen Amt hat keine?«
»Wie sahen diese Gedanken denn aus?«
»Er hatte die Nase voll. Er sagte wörtlich: Ich würde das alles gern hinter mir lassen. Kannst du mir nicht eine kleine Insel in der Karibik kaufen? Nicht mal mehr die Familie macht mir Spaß. Ich würde am liebsten einen Rundumschlag machen und in einem hübschen Strandhaus in Malibu aufwachen. Derartige Sprüche eben.«
»Haben die sich in der letzten Zeit gehäuft?«
»Eindeutig.«
»Um das Thema zu wechseln, wieso hat sich Driesch eigentlich in die Geschichte des Hotels in Berk eingemischt, das der Annette von Hülsdonk gehören sollte? Ich komme darauf, weil ich eine Tagebucheintragung von Wilma gelesen habe.«
»Er hat sich gar nicht eingemischt. Er ist eingemischt worden. Annette hat ihn wohl gefragt, was er von solch einem Projekt hält. Und er meinte: Warum nicht, das ist eine gute Idee. Das war meines Wissens nach alles. Aber was soll das? Das Hotel ist doch längst wieder vom Tisch.«
»Wird das nicht gebaut?«
»Nein. Von Hülsdonk hatte es für Annette gekauft. Und aus irgendeinem Grund nach drei Monaten wieder verscherbelt. Warum? Ist das wichtig?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich halte die Ideen, die Sie vertreten, für nicht schlecht und erwägenswert. Können Sie sich vorstellen, zur Sonderkommission ins Aukloster nach Monschau zu reisen und sich mit denen zu unterhalten?«
»Durchaus, wenn mir Verschwiegenheit zugesichert wird.«
»Keine Frage«, erwiderte ich. »Ich kündige Sie an. Und vielen Dank für Ihr Vertrauen. Würden Sie so nett sein und das Licht im Haus ausschalten, wenn Sie gehen?«
»Mache ich. Es war gut, Sie zu treffen. Vielleicht sieht man sich ja noch mal.«
»Gut möglich.« Wir reichten uns nicht die Hand, ich ging einfach, Cisco im Schlepptau, der vor Aufregung wieder mal Wasser ließ und kläffte, als würden wir von Elefanten verfolgt.
Da war die erste Ahnung des Tages, ein rosafarbener Schimmer im Osten. Ich wartete einen Augenblick, bis Cisco ein paarmal gepinkelt hatte und hockte mich dann in mein Auto. Ich wählte die Nummer der Sonderkommission und verlangte Kischkewitz.
»Kischkewitz. Wieso bist du nicht im Bett?«
»Ich hatte keine Zeit. Ich habe einen Mann kennen gelernt, der Wilma Bruns liebte. Ein katholischer Pfarrer, der bald keiner mehr sein wird. Er will sich mit euch unterhalten. Er hat ein paar aufregende Phantasien.«
»Wie sehen die aus?«
»Er kann phantastisch beschreiben, warum ein Strommanager allen Grund hatte, Driesch und anschließend Wilma Bruns zu töten.«
»Wo ist der Mann?«, fragte er.
»Ich hab ihn zu euch geschickt, vielleicht kommst du mit seiner Hilfe weiter. Ich versuche nun, mich nach Hause durchzuschlagen und schlafen zu gehen.«
»Kriege ich eine Notiz? Ich meine, eine über die Unterhaltung mit dem Pfarrer?«
»Kann ich machen. Und besuch mal wieder deine Frau.«
»Scheißkerl!«, antwortete er liebevoll und unterbrach die Verbindung.
Langsam fuhr ich nach Deudesfeld und war zu faul, den Motor sorgsam zu schalten. Ich freute mich am Spiel der Farben im frühmorgendlichen Dunst, der über den Wäldern lag.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, in eine Wohnung zu gehen, in der keine Katze auf mich wartete. Der Hund folgte mir, war etwas zögerlich, fiepste vor Aufregung. Ich hatte kein Futter für ihn, fand aber dank Alwins hausfraulicher Verantwortung im Eisschrank ein paar Dosen Thunfisch. Ich gab Cisco davon und er fraß es mit Begeisterung. Ich zog mich aus und ließ die Kleider dort liegen, wo ich sie verlor. Dann kroch ich ins Bett und spürte noch, wie Cisco sich anschlich und sich dann mit einem erleichterten Seufzer unmittelbar vor meinem Gesicht in die Kissen sacken ließ. Der Hund wusste genau, was gut war.
Das Handy weckte mich. Rodenstock. »Du warst verdammt gut bei diesem Pfarrer. Der ist jetzt hier und erzählt.«
»Wie viel Uhr ist es?«
»Halb vier. Ich soll dich von Emma grüßen und um Entschuldigung bitten, dass sie in Aachen so mies drauf war. Und sie geht jede Wette ein, dass Driesch und Wilma nicht wegen der Windenergie getötet wurden. Sie meint, da gäbe es Überlegungen, auf die
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