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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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wir noch nicht gekommen seien.«
    »Aha, und welche?«
    Er lachte. »Das weiß sie noch nicht. Aber sie wird uns Bescheid sagen, wenn sie es herausgefunden hat. Du kennst sie ja, sie ist nie zufrieden.«
    »Glaubst du, dass ihr den Fall überhaupt noch knacken könnt?«
    »Nicht richtig«, seufzte er. »Es ist zu viel Zeit vergangen, zu viele Zufälle sind auf der Seite des Mörders. Wir wissen immer noch nicht, wo und wie Driesch die Stunden vor seinem Tod verbracht hat. Und für Wilmas Weg in das Moor haben wir ebenfalls keinen Zeugen. Wir machen irgendetwas falsch, fragt sich nur was. Darf ich dir Vera schicken?«
    »Wieso das?«
    »Sie soll protokollieren, wie das Gespräch mit dem Pfarrer ablief. Wäre wichtig für die Akten.«
    »Muss das Vera sein?«
    »Ja«, sagte er unerbittlich. »Außerdem will sie sich für ihr blödes Benehmen entschuldigen. Nun sei nicht so, Baumeister, sie ist doch eine gute Frau, oder?«
    »Na gut, schick sie her.« Es passte mir überhaupt nicht. »Und wenn Emma eine Erleuchtung hat, soll sie sich unbedingt melden.«
    ›Wir wissen immer noch nicht, wie Driesch die letzten Stunden vor seinem Tod verbrachte. Wir wissen immer noch nicht ...‹, hämmerte es in meinem Kopf.
    Ich machte mir einen Becher Tee, hockte mich auf den Balkon und rekapitulierte: Um 3.30 Uhr in der Nacht rennt, von Zeugen bestätigt, ein Mann hinter einem anderen Mann her und schießt auf ihn. Mindestens vier Schüsse werden aus einer Winchester abgegeben, die Patronenhülsen werden gefunden. Dann, im Abstand von zwei bis drei Minuten, folgt ein dritter Mann. Alle drei rennen die Stadtstraße entlang stadtauswärts. Um 4 Uhr, also dreißig Minuten später, läuft Jakob Driesch in der Rur in die entgegengesetzte Richtung und wird erschossen. Von sechs Kugeln aus einer Winchester in den Rücken getroffen. Wir haben also zwei Zeitphasen, über die wir nichts wissen. Erstens: Wo steckte er die halbe Stunde von den ersten Schüssen bis zu seinem Tod? Zweitens: Wo steckte er in den neun Stunden, seit er sein Haus in Schieiden verließ?
    Da war irgendwo ein Fehler in unseren Überlegungen. Stellten wir die falschen Fragen?
    Also, noch einmal: Driesch rennt zunächst parallel zum Fluss über eine Straße stadtauswärts. Eine halbe Stunde später läuft er parallel zu der Straße durch den Fluss Richtung Stadtmitte. Was heißt das? Baumeister, konzentrier dich! Was heißt das?
    Cisco fiepste und sprang mir auf den Schoß. Musste er pinkeln?
    »Musst du pinkeln?«, fragte ich. Er war darüber so erfreut, dass er auf meine Jeans pinkelte. Ich fand einen Strick und band ihm den um den Hals. Dann gingen wir Gassi. Cisco schoss auf jeden Baum zu, der so rumstand, und ich geriet ins Keuchen.
    Praktisch lief meine Überlegung auf ein komisches Bild hinaus: Erst rennt Driesch aus der Stadt heraus, dann rennt er in die Stadt hinein. Raus aus den Kartoffeln, rin in die Kartoffeln. Warum?
    Ich hatte bisher immer geglaubt, seine Flucht hätte sinnlosen Prinzipien gefolgt, sei etwas von reiner Panik und Todesangst Bestimmtes gewesen. Plötzlich war ich nicht mehr so sicher. Wenn seine Fluchtbewegungen gezielt und überlegt waren, was bedeuteten sie? Er rennt aus der Stadt heraus. Dann kehrt er wieder zurück. Wohin kehrt er zurück?
    Das war der Punkt!
    »Cisco«, sagte ich freundlich, »ich muss telefonieren. Ist deine Blase leer?«
    Sein kurzes Kläffen deutete ich als Ja, band den Strick los und rannte ins Haus. Natürlich folgte Cisco mir, woraus resultiert, dass Stricke zuweilen dämlich sind.
    Ich rief die Sonderkommission an, fragte nach Rodenstock, erfuhr, der sei nicht da. »Dann Kischkewitz. Und schnell, bitte.«
    »Was ist so eilig?«, wollte Kischkewitz wissen.
    »Ich glaube, ich weiß was. Erst rennt Driesch aus Monschau raus, dann wieder rein. Einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    »Warum macht er das, habe ich mich gefragt. Wir sind bisher immer von einer Panikreaktion ausgegangen, von unüberlegten Handlungen. Aber nimm einmal an, er rennt los, um von etwas abzulenken. Dann rennt er wieder zurück, weil er exakt dorthin will, woher er kam. Zieh also mal in Höhe der evangelischen Kirche an der Laufenstraße eine Linie. Hinter dieser Linie muss er gewesen sein. Logisch?«
    »Aber wieso der Fluss, wieso nimmt er den Fluss?«
    »Weil er nicht ganz zu Unrecht überlegt hat, dass der Mörder auf den Fluss als Flucht- und Rückweg nicht sofort kommen würde. Außerdem könnte die Flucht oder der Rückweg in die Altstadt

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