Eifel-Träume
Mein Mann soll Toni Burscheid in die Enge getrieben haben. Dann gibt es sogar die Behauptung, dass mein Mann Burscheid zwanzigtausend dafür geboten hat, dass er den Abbau des Berges unterstützt.« Sie sah mich an. »Wissen Sie, wer mir das mit den zwanzigtausend sagte? Annegrets Mutter. So viel zu Gerüchten.«
»Das hörte ich auch«, nickte ich. »Es ist nett, dass Sie es erwähnen.«
»Jetzt sitzen Sie hier und stellen Fragen. Und ich sitze hier und frage mich schon seit langem, warum die Kriminalpolizei den alten Pitter Göden nicht ins Verhör genommen hat. Der Mann wohnt genauso wie Annegret in der Straße Am Blindert. Und der Mann ist berühmt-berüchtigt für sein merkwürdiges Sexualleben. Ganz Hildenstein redet darüber, aber der Mann bleibt vollkommen ungeschoren.«
»Woher wissen Sie, dass der Mann nicht verhört worden ist?«
Sie lächelte maliziös. »Von ihm selbst.«
»Wie sieht sein Sexleben denn aus?«, wollte ich wissen.
»Na ja, er nimmt sich Frauen mit nach Hause. Die müssen sich unter einer Wolldecke verstecken, bis sein Wagen in der Garage steht. Damit man sie nicht sieht. Und das ist nicht alles. Er kriegt öfter Besuch von zwei Polen aus Köln, die ihm Mädchen zuführen. Manchmal zwei auf einmal, was richtig teuer ist. Aber er sagt, er bezieht eine gute Rente. Sorgst du beizeiten, hast du in der Not, sagt er immer.«
»Hat er denn ein Alibi für den Donnerstag?«
»Hat er nicht«, antwortete Schmitz. »Er sagt, er sei zu Hause gewesen und habe sich eine Erbsensuppe gemacht.«
»Und gleich werden Sie mich wahrscheinlich nach meinem Treffen mit einem gewissen Stanislaus befragen wollen«, stellte Griseldis Schmitz erheitert fest.
»Das wollte ich ansprechen«, gab ich zu.
Die Frau war noch härter als ihr Mann und die beiden befolgten das einzige Rezept, mit dessen Hilfe sogar eine Mordkommission außer Gefecht gesetzt werden konnte. Sie blieben bis zu einem sehr weit reichenden Punkt bei der Wahrheit und beharrten dann darauf. Kein Abweichen, keine Unterschiede in Details.
»Sehen Sie«, erklärte der Hausherr. »Sie müssen wissen, dass wir schon sehr lange verheiratet sind. Wir lassen einander die Freiheit, die jeder braucht. Da gibt es keine Szenen, keine Prügel, da gibt es keine lautstarken Auseinandersetzungen, keinen Rosenkrieg. So ist das nun mal.«
»Was sagt denn Ihr Sohn dazu. Er wird doch den Klatsch darüber hören?«, fragte ich beinahe gemütlich.
»Er glaubt uns«, behauptete sie. »Wir erzählen: Das war so und so. Und er fragt nicht weiter. Wie alle Kinder. Sollen wir ihn holen?«
»Warum nicht?«, sagte ich etwas erstaunt. »Ich kenne noch keines der Kinder, die zusammen mit Annegret nach Hause gingen.«
Der Mann griff wieder nach dem Telefonhörer. »Kannst du bitte mal ins Arbeitszimmer kommen, Kevin?« Dann betrachtete er mich nachdenklich. »Er leidet sehr, müssen Sie wissen.«
»Oh, das wird kein strittiges Thema sein«, versicherte ich.
Ein weiterer Beleg für die Raffinesse der beiden: Keine Lücke, kein Stocken, da gab es nur den aufrichtigen Hang, alles offen zu legen, nichts zu beschönigen – Papa, Mama und Sohnemann, das Ganze wie aus dem Bilderbuch.
Sekunden später marschierte der kleine Kerl herein, nickte mir förmlich zu und stellte sich dann neben seinen Vater.
Der erklärte freundlich: »Das ist Herr Baumeister von der Presse. Was mit deiner Freundin passiert ist, tut ihm zutiefst Leid. Das ist doch so, Herr Baumeister, oder?«
»Das ist so. Grüß dich, Kevin. Mein Name ist Siggi. Die Annegret war bestimmt eine gute Freundin für dich. Das, was du da erleben musstest, war ganz schlimm.« Ich spürte meine Unsicherheit wie den Anflug einer hilflos machenden Krankheit.
»Ja«, nickte er. Seine Stimme war schon jenseits jeder Kindlichkeit, tief und klangvoll. »Ich muss dauernd an sie denken.«
Du lieber Gott, was sagt man so einem Kind, das kein Kind mehr ist?
»Ich habe von der Polizei erfahren, dass Annegret wahrscheinlich den Weg durch die Häuser genommen hat.«
»Ja, wir sind nochmal befragt worden. Das machte sie oft. Wenn wir uns oben im Wald getroffen haben, sind wir von hier aus auch oft da langgegangen. Das ist eben praktischer.«
Er setzte hinzu: »Da gibt es jetzt jede Menge Obst. Und kein Mensch pflückt das.«
»Die Kirschen und Birnen und Johannisbeeren sind reif«, sagte ich verstehend. »Da fällt mir etwas ein: Ist es jemals vorgekommen, dass euch auf diesem Weg zwischen den Häusern ein Erwachsener
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