Eifel-Träume
nicht wirklich wahr. »Stellen Sie ihn rein, lassen Sie den Schlüssel stecken, hier klaut ihn sowieso keiner. Und hier ist Ihr Autoschlüssel.« Dann, als habe sie registriert, dass ich ein Fremder war, ergänzte sie: »Die Kleine schläft, ich will sie nicht wecken.«
»Das müssen Sie nicht.« Ich nahm meinen Schlüssel, öffnete das Scheunentor, fuhr meinen Wagen heraus, setzte den Saab rein und sah, wie die Frau die Haustür wieder schloss.
Irgendwie kam ich mir in meinem Auto kompletter vor. Ich hörte Christian Willisohn St. James Infirmary singen und fand das durchaus angemessen und auch symbolträchtig. Es wurde der Wut des Gustav Mauren gerecht.
Zu Hause hockten Vera und Clarissa in den Sesseln und unterhielten sich träge. Zwischen ihnen stand eine Flasche Weißwein. »Sieh einer an, Väterchen«, sagte Clarissa scheinbar hell erfreut.
»Wie geht es dem Detektiv?«, fragte Vera.
»Na ja, so lala«, antwortete ich. »Jemand angerufen?«
»Wir sind nicht drangegangen«, gab meine Tochter Auskunft. »Ich soll dich von Tante Anni grüßen, du sollst morgen früh zum Rapport antreten.«
»Wie schön«, murmelte ich. »Ich bin oben, ich muss was aufschreiben. Lasst euch nicht stören.«
Jemand hatte mir gefaxt, jemand, der sich Club Erotica nannte. Er forderte mich auf, Telefonsex für 99 Cent pro Minute zu genießen. Er versprach eine diskrete Berechnung und ausschließlich Premium-Lines – keine Bandaufnahmen. Ich konnte Sex in siebenunddreißig Varianten hören: abartig, anal, blow jobs, dicke Girls, dummgeil, Hobbynutte, Kaviar, Natursekt, Klosex …
Und ganz unten stand klein gedruckt, dass die Nutzung dieser wunderbaren Erfindung menschlicher Abartigkeiten eine Mitgliedschaft erforderte, die eine Aufnahmegebühr von nur 29,99 Euro kostete. Für ein paar Sekunden kämpfte ich mit der Versuchung, mein Faxgerät an der Wand zu zertrümmern.
Ich schrieb noch zwei Stunden, dann war ich so müde, dass ich ins Schlafzimmer hinüberschlurfte, mich auf das Bett legte, erst im Clinton herumblätterte, dann Schätzings Der Schwarm las. Ich schlief ein, angezogen und ausgerüstet mit allem, was ein Pfeifenraucher so braucht: Tabak, sechs Pfeifen, Pfeifenbesteck und der Hoffnung, dass der Schlaf nicht alles auslöschen möge. Nicht mal meine Schuhe hatte ich ausgezogen.
Ich wurde wach, weil Vera sich neben mir räkelte. Als ich vorsichtig zu ihr rüberlinste, sah ich, dass sie nicht mehr trug als ihre Haut. Aber sie hatte mein Bett erobert und die gewaltig große Zudecke, während ich fror. Ich versuchte festzustellen, wie spät es war. Dann schlief ich wieder ein. Ich wachte zum zweiten Mal auf, mir war noch kälter und Vera war genauso nackt wie vorher.
Ich bemerkte, dass sie mich blinzelnd beguckte.
»Was ist passiert?«, fragte ich.
»Nichts«, zischte sie leicht empört. »Was soll denn passiert sein?« Wahrscheinlich hatten vereinzelte chemische Blitze ihre kleinen grauen Zellen erst jetzt in Schwung versetzt. Sie starrte an sich hinunter und stöhnte: »Oh!«
»Das macht nichts«, murmelte ich. »Dafür bin ich komplett angezogen.«
»Weißt du was, Baumeister?«
»Nein.«
»Ich war völlig blau! Ich hoffe, du hast meinen Zustand nicht ausgenutzt.«
»Ging nicht. Ich bin impotent.«
»Dann ist es ja gut«, seufzte sie, stieg aus dem Sündenpfuhl und verschwand nackt, wie Gott sie schuf.
Dafür erschien meine Tochter im Türrahmen, legte sich theatralisch den rechten Handrücken gegen die Stirn und murmelte heiser: »Oh, mein Kopf!« Sie trug wenigstens die Andeutung von etwas Textilem.
»Was, um Gottes willen, habt ihr denn gefeiert?«
»Frag mich nicht so was«, stöhnte sie und legte sich dorthin, wo vorher Vera gelegen hatte.
Mein Festnetztelefon schrillte, ich langte danach, es fiel mir aus der Hand, ich fluchte und dann sagte Emma: »Du solltest herkommen. Erinnerst du dich an Annegrets Freundin, die Anke Klausen?«
»Na sicher. Was ist mit der?«
»Auch ihre Mutter war gar nicht zu Hause, als die Kleine angeblich pünktlich von der Schule heimkehrte.«
»Wo war die Mutter?«
»Das will sie nicht sagen.«
»Das ist nicht dein Ernst!«
»Sie kochen sie gerade gar. Komm einfach her.«
»Okay. Würdest du mir an diesem ungeordneten Tag sagen, wie viel Uhr es gerade ist?«
»Es ist mittags, ein Uhr. Was machen deine Weiber?«
»Die sind komisch: Eine hat nackt neben mir geschlafen, die andere hält sich den Kopf und jammert.«
»Schön, so jung zu sein«, kommentierte Emma
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