Eifel-Träume
trocken.
»Ich müsste auch mal zehn Minuten mit dir allein reden. Das ist sehr wichtig.«
»Gut«, sagte ich. »So was habe ich erwartet. Du hast so ausgesehen.«
»Du siehst das immer, Rodenstock sieht das nie.«
Ich verzichtete auf jede Verschönerungsarbeit, zog mir nur frische Wäsche an und machte mich auf den Weg.
Zur Begrüßung sagte Emma: »Er telefoniert gerade mit Mallorca.« Und weil ich wahrscheinlich dumm guckte, setzte sie hinzu: »Er will auswandern.«
»Da hat man die Kinder groß, da haben sie einen Beruf und dann flippen sie aus.«
»Das kannst du so sagen«, nickte sie. »Es macht mir Kummer, weil er meiner Meinung nach überhaupt nicht ahnt, auf was er sich da einlässt.«
»Warum hast du mir nicht eher etwas davon gesagt?«
»Weil du selbst nicht mehr auf der Erde gelebt hast«, antwortete sie knapp.
Wir gingen ins Haus. Rodenstock saß am Esstisch, hatte eine Unmenge Zettel vor sich liegen, mindestens sechs Kugelschreiber und machte einen total gestressten Eindruck.
Er sah mich, lächelte kurz und herzlich wie Mackie Messer und tat den folgenschweren Spruch: »Na, mein Lieber, wie geht es uns denn?«
»Na ja, wenn du nach Mallorca auswandern willst, geht es mir augenblicklich beschissen. Was hast du anderes erwartet?«
»Sie hat es dir erzählt«, stellte er bissig fest.
»Wer sonst? Ist das dein Ernst?«
»Ja. Ich habe von den Eifel-Sommern die Nase voll.«
»Und deswegen wanderst du aus? Für immer unter englische, niederländische und deutsche Bierbäuche?«
Er rang sich noch nicht mal ein Lächeln ab. »Nicht so einen Killefitz, bitte. Das Klima dort ist besser, immer blühen Blumen, das Meer ist grün und blau. Und es ist nicht wesentlich teurer als hier.«
»Du klingst wie Ballermann sechs. Genauso flach und dämlich.«
»Er ist dabei, ein großes Apartment zu kaufen«, sagte Emma sanft im Hintergrund.
»Was kostet denn so was?«, fragte ich.
»Es ist etwa so teuer wie dieses Haus hier und die Konditionen der Banken sind sehr verlockend.« Rodenstock bemühte sich um Sachlichkeit.
»Und was machst du, wenn irgendein Zipperlein dich plagt? Was machst du, wenn du deinen Salzstreuer hier vergessen hast? Und was sagst du mir am Telefon? Etwa: Komm mal eben rüber, wir haben was zu bekakeln?«
»Du nimmst das scheinbar nicht ernst.«
»Richtig. Was ist mit dir, Emma?«
»Ich bin zu alt, um mich aufzuregen. Ich habe ihm gesagt, dass er zwei Monate im Jahr mit mir rechnen kann. Aber nicht zu Weihnachten, nicht zu Ostern, nicht zu meinem Geburtstag, nicht zu seinem Geburtstag. Das Apartment hat einen Balkon mit sechs Betonkübeln. Das ist sein Garten! Das muss man sich mal vorstellen!« Ihre Stimme klang hoch und leicht zittrig.
»Lasst uns auf die Frau und Mutter zu sprechen kommen, die nicht angeben will, was sie am Donnerstagmittag getrieben hat.«
»Ich konstatiere, dass du nicht mit mir über Mallorca diskutieren willst«, sagte Rodenstock leichthin.
»Stimmt. Das ist eine Idee wie ein zweistöckiger Lokus. Und das ist noch geschmeichelt. Also was ist mit der Frau?«
»Ursprünglich hat die Mutter ausgesagt, Anke sei um zehn vor eins nach Hause gekommen. Wie immer am Donnerstag. Und Anke hat gesagt: So war es! Und dann hat Mami mir ein Mittagessen vorgesetzt und anschließend habe ich Schulaufgaben gemacht. Gegen Viertel vor fünf bin ich dann zu Annegret, weil wir uns ein Britney-Spears-Video angucken wollten. Ankes Vater hat bestätigt, dass er gegen ein Uhr mittags zu Hause angerufen und mit seiner Frau gesprochen hat. Alles war in Ordnung.«
»Was macht der Vater eigentlich?«
»Klausen besitzt eine Möbeltischlerei, die Mutter ist Hausfrau und engagiert sich ehrenamtlich. In mindestens drei privaten Vereinen und in einem Verein des Landes, der in Ruanda Dörfern zu Brunnen verhilft, zu Schulen und so weiter und so fort. Eine sehr agile, freundliche und soziale Frau.«
»Und woher wisst ihr jetzt, dass das alles gelogen war?«
»Gevatter Zufall«, erklärte Rodenstock. »Anke hat sich verplappert, in größerer Runde. Kevin Schmitz und seine Mutter gehörten auch dazu. Eine fröhliche Hausfrauenrunde. Eine Polizeipsychologin hat derartige Gespräche angeregt. Und mitten im Gespräch sagt Anke plötzlich: Mami, das stimmt doch so nicht. Du warst doch gar nicht da, als ich Donnerstag nach Hause gekommen bin. Du bist ja noch nach Papi gekommen! Die Mutter hat versucht, Anke einzureden, sie verwechsle da was, aber Anke hat auf ihrer Behauptung bestanden.
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