Eifel-Träume
zahlt bedeuten, aber auch zum oder zur. Stand Kh. Grotian für Karlheinz Grotian? Aber wer war Grotian? War das eine Firma, eine Privatperson?
Die Summe der Gelder lag knapp über hunderttausend Euro und das Verblüffende daran war, dass irgendjemand Gustav Mauren diese Zahlen genannt haben musste. Willkürlich eingesetzte Summen waren das auf keinen Fall, also woher kannte Mauren die Zahlen? Er musste sie schon vor unserem Gespräch recherchiert haben. Es war ganz unwahrscheinlich, dass er all die Zahlen im Laufe seines absolut letzten Ausflugs gesammelt hatte. Oder hatte er jemanden zum Sprechen gebracht, der über all das Bescheid wusste?
Du hast keine Antworten, Baumeister, also nutze sie.
Ich fuhr weiter nach Hildenstein.
Neben dem gewaltigen Tor der Einfahrt stand an einem mächtigen Klinkerpfosten aus Schmiedeeisen und stark verschnörkelt H. S. Ich parkte so, dass man den Saab vom Haus aus sehen konnte, und klingelte. In den großen, niedrig gezogenen Klinkerbau waren gewaltige Fenster eingelassen.
»Ja?«, fragte eine Frauenstimme.
»Mein Name ist Siggi Baumeister. Kann ich bitte Herbert Schmitz sprechen?«
»Mein Mann hat keine Zeit.« Die Stimme war ein Alt, sehr rauchig, eigentlich sympathisch.
»Er muss Zeit haben. Es geht um merkwürdige Zahlungen an einen gewissen Clemens Retterath.«
Eine Weile herrschte Schweigen, dann hörte ich ein unwilliges: »Kommen Sie herein.«
Die Frau war groß und schlank und zweifelsfrei hübsch. Blond gefärbte Haare, ein heller, klarer Teint, keinerlei Kosmetika und eine schmale, kleine Hornbrille. Sehr klug wirkende eisgraue Augen.
»Guten Tag. Mein Mann ist im Arbeitszimmer.« Sie lief vor mir her, sie trug eine schwarze Hose, einen schwarzen Pulli und ging seltsam müde mit hängenden Schultern. Die Frau öffnete eine schwere Eichentür, hinter der sich ein lichter, großer Raum mit Fenstern bis zum Boden befand, und ließ mich eintreten, ohne mir zu folgen. Gebürstete Stahlmöbel, ein Schreibtisch mit einer großen Holzplatte und einer bestechend schönen Maserung, schneeweiße Wände mit modernen, großflächigen, rahmenlosen Bildern. Sie waren bunt, gegenstandslos, von der Marke: Du musst dir schon selbst was ausdenken. Aber sie wirkten ausgesprochen freundlich.
Der Mann war schlank und größer als eins achtzig. Er hatte einen kantigen Schädel, dunkle Augen unter starken schwarzen Brauen, kurzes graues Haar. Er stand auf, kam um den Schreibtisch herum, streckte mir seine Hand entgegen und sagte: »Guten Tag, Herr Baumeister, ich weiß schon, Sie sind der Journalist. Was kann ich für Sie tun?«
Das Ganze sehr bestimmt, aber vollkommen neutral. Dabei marschierte er zurück zu seinem Stuhl und wies mir einen Besuchersessel an.
»Was Sie für mich tun können, wird sich herausstellen. Die traurige Geschichte mit der Annegret, die traurige Geschichte mit Toni Burscheid, die traurige Geschichte mit Gustav Mauren, das alles wirbelt viel bösen Staub auf und …«
»Ja, aber das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun, oder?«, warf er freundlich lächelnd ein.
»Das weiß man noch nicht«, erwiderte ich. »Da fiel ein hässlicher Verdacht auf Toni Burscheid, und ehe etwas geklärt werden konnte, hat er sich das Leben genommen. Wahrscheinlich doch, weil er mit den Verdächtigungen nicht leben konnte.«
»Na ja, der Typ war aber auch seidenweich. Haben Sie dem je die Hand gegeben? Als wenn Sie in Gallert packen. Und – soweit ich gehört habe, hatte er ja auch kein Alibi.«
»Also nehmen Sie es mir nicht übel, aber es gibt fantastische seidenweiche Typen, deren Händedruck mit Gallert wenig zu tun hat. Das mit dem Alibi, woher wissen Sie denn das?«
»Das wird gesagt.«
»Bitte, nicht so«, wandte ich scharf ein. »Wer hat das gesagt?«
»Tja, meine Frau, zum Beispiel.«
»Wollen wir sie teilnehmen lassen?«
Er starrte mich verblüfft an. »Ist das Ihr Ernst?«
»Sicher ist das mein Ernst.«
Er spitzte seinen Mund zu einem Kussmaul, überlegte kurz und griff dann zum Telefon. »Gris, kannst du mal kommen?« Er legte den Hörer nieder. »Ehrlich gestanden habe ich von dieser Gerüchteküche die Schnauze voll. Leiden Sie auch darunter?«
»Nun ja, ich leide nicht, aber es macht mir Sorgen.«
Die Frau betrat den Raum. Sie setzte sich brav neben mich und sah ihren Mann an. »Was gibt es?«
»Nur eine Kleinigkeit«, sagte er mit einer abwehrenden Handbewegung. »Du hast mir doch vor zwei Tagen erzählt, dass Toni Burscheid für den
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