Eifel-Träume
angesprochen hat?«
»Nein, nie. Aber den Weg kennt auch sonst keiner und die Leute, die da wohnen, die interessieren sich nicht für uns, denen ist das ganz egal.«
»Nachdem du am Donnerstag heimgekommen bist, hast du dich also vor den Computer gehockt?«
»Ja, bis Mama kam. Dann haben wir uns Eier mit Senfsoße gemacht.« Er wurde verlegen. »Ich esse die so gern.«
»Das erinnert mich an meine Mutter«, lächelte ich. »Harte Eier mit Senfsoße, das war immer klasse. Leider lebt sie nicht mehr.«
»Darf er Ihnen auch eine Frage stellen?«, fragte Kevins Vater.
»Natürlich.«
»Wie wird man eigentlich Journalist?« Das kam gestochen scharf.
»Man kann nach dem Abi studieren. Politik zum Beispiel. Anschließend muss man noch eine Ausbildung bei einer Zeitung oder bei einem Fernsehsender machen. Du kannst auch eine Journalistenschule besuchen. In Hamburg oder München. Aber es ist sehr schwierig heutzutage, einen Platz zu kriegen. Wenn du allerdings hartnäckig genug bist, wird dir das gelingen. Reizt dich das?«
»Ja, ich finde Journalisten gut. Anke findet Journalisten auch gut.«
»Anke ist Annegrets Freundin?«
»Ja, sie wohnt hier nebenan, wir unternehmen viel zusammen. Der Psychologe von der Polizei sagt, dass es wichtig ist, Freunde zu haben.«
»Wir nehmen die Betreuung in Anspruch«, erläuterte die Mutter. »Dazu wurde uns geraten.«
»Das kann ich gut begreifen«, sagte ich. »Dann danke ich dir schön.«
»Wahrscheinlich hat Kevin noch eine Frage«, deutete der allmächtige Vater an.
»Ja«, nickte der Sohn. »Haben Sie schon eine Ahnung, wer das mit Annegret … also, wer das getan hat?«
»Nein. Wenn ihr Jugendlichen so miteinander redet, ist da schon mal ein Verdacht geäußert worden?«
»Nein. Natürlich haben wir überlegt und überlegt. Aber wir kennen keinen, der so was tun würde.«
Eine Weile herrschte Schweigen, dann sagte die kluge Mutter sanft: »Das war es, mein Herr. Kevin, du kannst dich wieder trollen. Und mich müssen Sie jetzt auch entschuldigen.«
»Ich danke Ihnen.«
Die beiden gingen hinaus und schlossen leise die Tür hinter sich.
»Kann ich erreichen, dass Sie das mit dem Finanzamt so lange vergessen, bis Ihnen nichts anderes mehr einfällt?« Er lächelte mich an mit diesem eingefrorenen Lächeln, das er wahrscheinlich gar nicht mehr abstellen konnte. Er hatte was von einem Hai.
»Ja«, antwortete ich. »Das heißt aber nicht, dass Sie mir jetzt zehntausend in bar rüberschieben sollen. Sie profitieren von einer journalistischen Besonderheit. Ich arbeite für ein Magazin aus Hamburg. Diese Leute wollen eine gute, beweisbare Story, eine Geschichte. Und die habe ich noch nicht. Wenn ich schreibe, werde ich Ihnen die Sie betreffenden Stellen in meinem Bericht vorher zufaxen. Das ist so Usus bei uns.«
»Gut«, nickte er mit einem Pokergesicht.
»Doch beantworten Sie mir noch die Frage, wer Karlheinz Grotian ist!«
»Ja, warum nicht. Grotian ist ein Parteifreund aus der CDU. Er ist der Einzige, der in Toni Burscheids Fußstapfen treten will, der Einzige, der sich bereit erklärt hat, den Ortsbürgermeister zu machen.« Er setzte hinzu: »Da Sie die Summen so genau kennen, wissen Sie wahrscheinlich auch die. Es waren 26.800,- Euro. Sind Sie jetzt zufrieden?«
»Völlig.« Ich stand auf und reichte ihm die Hand. »Ich finde schon selbst hinaus.«
Aber er begleitete mich bis vor die Haustür. Als er den Saab sah, stutzte er, verhielt den Schritt und wollte etwas sagen. Doch er verkniff es sich und ich dachte freudestrahlend: Das war zwei Sekunden lang ganz unklug, mein Freund.
Ich machte mich auf den Nachhauseweg, ich wollte noch alles aufschreiben und eine Kopie davon Kischkewitz schicken. Eine direkte Verbindung zu dem scheußlichen Verbrechen an Annegret war immer noch nicht aufgetaucht.
Dann kam die grelle Erleuchtung, dass ich in einem Auto saß, das mir nicht gehörte. Also bog ich nach Osten ab und schlängelte mich über eine teuflisch schmale Betonbahn auf Wiesbaum zu.
Es war schon fast dunkel, als ich vor dem Haus der Maurens landete. In einem der oberen Fenster brannte Licht.
Ich klopfte an die Tür und wenig später hörte ich die Treppe knarzen. Eine Frau öffnete und fragte: »Bringen Sie den Saab zurück?«
»Ja. Tut mir Leid, das ging nicht eher.«
»Das macht nichts.« Sie trug einen schneeweißen Trainingsanzug, hatte eine rotblonde Mähne und machte den Eindruck eines Menschen, der tief in seiner Trauer versunken ist. Sie nahm mich
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