Eifel-Träume
Weinkrämpfen und der Psychologe, der jeden Tag kommt, hat mir gesagt, es sei kaum möglich, sie aus dem Schock herauszuholen.«
»Arbeitest du wieder?«
»Kein Gedanke. Mein Chef sagt, er gibt mir noch vierzehn Tage Zeit. Irgendwann wird alles irgendwie weitergehen. Aber nichts wird mehr so sein wie vorher.«
Ich verabschiedete mich und fuhr weiter. Clemens Retterath hatte ein Häuschen in Walsdorf. Es war sicher, dass Schmitz ihn angerufen hatte, er würde mich also erwarten.
Das Haus lag an einer neu gezogenen Straße durch eine Siedlung. Ein ganz normales Haus, es hatte nichts Besonderes. Ich klingelte, eine junge Frau öffnete. Sie machte einen missmutigen Eindruck.
»Ja, mein Mann kommt raus, wenn Sie ihn sprechen wollen. Ist es denn dringend?«
»Doch, das würde ich sagen.«
Sie schloss die Haustür so unfreundlich, als wollte ich an das Bargeld im Flur.
Es dauerte eine Weile.
Als dann Retterath in der Tür erschien, wusste ich, dass es keine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen.
Er hatte eine Bierflasche in der rechten Hand, in der linken eine Zigarette. Seine Augen waren schmal vor Misstrauen. »Ja?«
»Kann ich Sie einen Moment sprechen?«
»Fangen Sie schon an.«
»Sie wissen ja, dass Gustav Mauren getötet worden ist und …«
»Ich kenne keinen Gustav Mauren.«
»Doch, er war hier bei Ihnen. Er hat es mir erzählt.«
»Ich kann mich nicht erinnern. Um was soll es denn gegangen sein?«
»Um Ihre Aussage, Toni Burscheid habe sich an Ihrer Tochter vergangen.«
»Hat er ja auch.«
»Hat er nicht«, sagte ich wütend. »Das war eine linke Tour, Sie sind dafür bezahlt worden.«
Er ließ die Bierflasche einfach fallen, die Zigarette segelte zu Boden. Er schlug beidhändig zu und erwischte mich mit voller Kraft auf beiden Ohren. Scharf sagte er: »Hau ab, du Dreckschwein!«
Die Haustür klackte zu und ich versuchte, stehen zu bleiben. Das gelang nicht – ich drehte mich um und fiel die zwei Stufen hinunter. Das Letzte, was ich bewusst dachte, war, dass ich nicht gehört hatte, ob die Bierflasche zu Bruch gegangen war.
Ich wurde wach, weil dicht neben mir eine fremde junge Frau fragte: »Hat er mal wieder zugeschlagen?« Ich saß seitlich auf dem Fahrersitz meines Autos und wusste nicht, wie ich dorthin gekommen war.
»Bluten meine Ohren?«, fragte ich.
Sie nahm meinen Kopf und drehte ihn resolut hin und her. Das schmerzte sehr und ich befürchtete schon, wieder ohnmächtig zu werden.
»Nein. Da sind nur Schwellungen, kein Blut.«
»Eine gute Nachricht«, sagte ich. »Wer sind Sie?«
»Ich wohne gleich da vorne. Sie können so nicht Auto fahren«, sagte sie.
»Doch, doch«, widersprach ich heftig, obwohl mein Kopf dröhnte. Ich blickte an ihr vorbei auf das stille Haus des Clemens Retterath. »Retterath fährt einen BMW, nicht wahr?«
»Ja, so ein richtiges Schiff.«
»Wissen Sie zufällig, bei welcher Firma er den gekauft hat?«
»Bei Senftenberg in Mayen. Unserer kommt auch daher.«
»Prügelt er häufig?«
»Na ja … Meistens prügelt er seine Frau, manchmal auch das Kind. Und dann kommt Polizei und versucht zu schlichten. Auch beim letzten Straßenfest der Nachbarschaft hat er eine Schlägerei angefangen. Er war so betrunken, dass sie ihn hinterher ins Krankenhaus fahren mussten.«
»Was ist mit der kleinen Sandra?«
»Völlig verschüchtert. Also, lange geht das nicht mehr gut … Dieser Mann, der ein Messer in den Rücken gekriegt hat, der war auch hier. An dem Tag, an dem er starb. Jedenfalls habe ich ihn wiedererkannt, auf dem Bild im Trierischen Volksfreund .«
»Ach«, sagte ich. Mein Kopf dröhnte weiter wie eine Kesselpauke. Ohne jede Vorwarnung wurde mir speiübel. Ich hauchte: »Scheiße!«, und übergab mich auf den Gehweg.
Die junge Frau hüpfte erstaunlich behände zur Seite. »Das macht nichts. Ich hole schnell einen Eimer Wasser.« Es klang so, als mache sie das mehrmals am Tag.
Ich vernahm das Stakkato ihrer Absätze und musste lachen. Ich wusste nicht einmal, wie sie aussah, stellte aber während ihres Sprints zum Wassereimer fest, dass sie ein Typ mit einer angenehmen, schwingenden Fülle war. Barock, Eifler Landmädchen eben. Ach ja, und aschblond mit hellen Streifen.
Auf einmal stand Clemens Retterath in der Plastiktür seiner Behausung, musterte mich verächtlich und schüttelte den Kopf. »Typisch Schnüffler. Erst blöde Fragen stellen und dann vors Haus kotzen.«
»Tja, Ehre, wem Ehre gebührt.«
Er verstand die Replik nicht, schlug
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