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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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und das geht euch nichts an!«, überlegte Rodenstock.
    Anni grinste. »Dann wäre es aber noch viel logischer, dass die drei Radfahrer zum Busch geradelt wären, um dort heimlich zu spinxen, wen Annegret treffen würde. Oder?«
    »Sehr richtig. Es ist gut, dass sie dir dein Gehirn im Krankenhaus wieder zurückgegeben haben«, kommentierte ich.
    »Der Schluss ist«, fuhr Anni ungerührt fort, »dass die Kinder im Busch möglicherweise etwas gesehen haben, was sie erstens veranlasste, sofort wieder zu verschwinden, und was zweitens zur Folge hatte, dass sie den Anblick, den sie dort hatten, massiv verdrängt haben. Sie können mit einem solchen Anblick nicht leben, also kommt das scheußliche, furchtbare Bild in den tiefsten Keller ihres Bewusstseins. Und dann sagen sie aus: Wir sind nur rumgefahren. Jeder für sich. Das heißt, sie lügen!«
    Rodenstock wirkte nicht überzeugt. »Möglich ist das. Aber es scheint mir doch sehr unwahrscheinlich, dass alle drei deckungsgleich die gleichen Reaktionen zeigen. Jeder sagt: Ich war nicht im Busch, ich bin nur rumgefahren. Das ist mehr als unwahrscheinlich.«
    Anni überlegte eine Weile, dann erwiderte sie: »Mag sein, aber denkt an meine Worte: Kinder gehen eigene Wege und gebrauchen in kritischen Phasen oft einfache und deshalb sich ähnelnde Lügen.«
    »Denkst du etwa an ein Kind als Täter?«, fragte ich.
    Sie sah mich an, ihre Augen wirkten verschleiert. »Ich schließe nichts aus, das ist mein Beruf.« Sie lachte und verbesserte: »Das war mein Beruf.«
    Von der Gartenmauer schallten Veras und Clarissas Stimmen herüber. Meine Tochter klang empört: »Ich weiß gar nicht, was dieser Macker sich einbildet.« Vera beschwichtigte: »Glaub mir, er versteht viel von Verbrechen.« Ich bin mir nicht sicher, ob ich in dieser Sekunde nicht ein fettes Grinsen auf meinem Gesicht hatte.
    »Was tun wir jetzt?«, fragte Anni unternehmungslustig.
    »Wir fahren zu Emma, Abendessen!«, bestimmte Rodenstock.
    »Was ist mit deiner Eifel-Wunderwaffe Isabell Kreuter?«, fragte ich.
    »Übermorgen ist Wahl«, strahlte er. »Und ihr werdet erleben, wie die Schwaden von altem Muff über die Hügel wegwehen.«
    »Das ist Lyrik«, stellte Anni fest. »Da kennt eine alte Frau sich aus.«
    »Rodenstock, der Dichter«, bemerkte ich. Dann rief ich:
    »Vera, Clarissa, wir fahren zu Emma auf den Hügel.«
    So machten wir uns auf den Weg.
    Es war Pfifferlingszeit und Emma hatte eine Köstlichkeit aus Bandnudeln und Sahne und eben Pfifferlingen gezaubert, die die Kraft einer süchtig machenden Droge hatte. Wir schlemmten unter fröhlichem Geschwätz und alle außer mir sprachen reichlich einem exzellenten Roten zu, den Emma irgendwo an der Mosel besorgt hatte.
    Die Runde wurde immer lebhafter und lauter, die Augen begannen zu funkeln, das Gekichere nahm überhand und Tante Anni behauptete allen Ernstes, dass einige der bekanntesten Massenmörder Europas durchaus gemütliche Zeitgenossen gewesen seien, Hamann in Hannover zum Beispiel. Rodenstock wollte sich nicht lumpen lassen und erzählte die Geschichte eines Sittlichkeitsverbrechers, der mit ihm gewettet hatte, Rodenstock werde ihn nicht überführen können. Und dann habe er ihn mithilfe eines Streichholzbriefchens überführt. Emma fragte daraufhin, wie er denn dieses Wunder vollbracht habe, und Rodenstock geriet in aufgeregte Wallungen und konnte sich an die Lösung nicht mehr erinnern.
    Das war der Punkt, an dem ich die Runde verließ, weil das immer der Punkt ist, an dem sich jemand wie ich, der keinen Alkohol trinkt, absolut fehl am Platz fühlt.
    Es war 22.30 Uhr, als ich aufstand, und ich dachte, dass Annegret sehr viel mehr war als irgendein Fall, den es zu lösen galt. Annegret war eine Obsession geworden. Ein gefährlicher Punkt im journalistischen Leben.
    Mein Hund hatte es mal wieder bis Heyroth geschafft, sprang an mir hoch, japste vor Freude und legte sich auf den Rücken, um gekrault zu werden. Von Westen strichen Böen flach und scharf über das heiße Land.
    »Hör zu, mein Alter, ich muss jetzt unhöflich werden. Annegret lässt mir keine Ruhe und ich denke, dass wir auf die Höflichkeiten dieser Zeit keine Rücksicht mehr nehmen können. Ja, du darfst mitfahren, ja, wir werden irgendeinen Durchbruch erzielen.«
    Ich rief die Darscheids in Hildenstein an. Rainer Darscheid meldete sich. »Ja, bitte?«
    »Siggi hier. Ich weiß, es ist verdammt unhöflich, weil viel zu spät. Wie geht es euch?«
    »Schweigsam«, sagte er. »Gibt es

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