Eifel-Träume
Du hattest nämlich Angst, dass Annegret mit Gerd Salm oben im Busch war. Und das wolltest du nicht, das machte dir Angst. Aber es ist ja nun keine Schande, Angst um die eigene Tochter zu haben.«
»Ja, vielleicht. Vielleicht habe ich nach Gerd Salm geguckt«, gab Elisabeth leise zu.
»Deine Tochter hatte keine Angst vor ihm«, sagte ich.
»Hatte sie wohl!«
»Wenn sie Angst gehabt hätte, wäre sie nicht allein in den Busch gegangen«, hielt ich dagegen. »War es nicht so, dass deine Tochter Annegret vielmehr fasziniert von diesem Gerd war?«
»Sie war doch noch viel zu jung, um das alles zu begreifen!« Elisabeth schrie hoch und grell.
»Wieso soll sie zu jung gewesen sein?«, fragte ihr Mann fassungslos.
»Sie hatte doch keine Ahnung von all dem Dreck!« Sie griff wieder nach dem Glas und trank es aus. »Warum hackt ihr eigentlich so auf mir herum?«
»Das tun wir nicht«, sagte ich ruhig. »Wir versuchen bloß herauszufinden, was du alles wusstest und worüber du geschwiegen hast.«
Rainer Darscheid nahm die Flasche mit dem Rotwein und goss seiner Frau und sich nach.
»Hör zu, Eli«, sagte er liebevoll und strich ihr über den Arm. »Warum gibst du nicht zu, dass Sexualität für dich etwas Schmutziges ist? Warum sagst du das nicht einfach?«
»Die Kinder haben doch alle keine Ahnung, auf was sie sich da einlassen«, sagte sie stockend und begann zu weinen.
»Das sind ganz normale Kinder«, stellte er fest. »Sie fummeln gern, sie sind neugierig aufeinander. Sie probieren etwas aus, von dem sie fasziniert sind. Das ist doch auch was Schönes.«
»Im Grunde geht es mich nichts an, ihr müsst mir nicht antworten. Aber warum ist Sexualität etwas Schmutziges?«
»Elisabeth hat es nie so gesagt«, murmelte ihr Mann. »Aber wenn wir miteinander schlafen, steht sie anschließend eine halbe Stunde unter der Dusche. Das war immer so, das hat sich nie geändert. Von Anfang an war das so. Sie muss diesen Schmutz abwaschen.« Er schwieg, den Kopf tief gesenkt. Dann setzte er hinzu: »Wir haben seit Jahren nicht mehr miteinander geschlafen.«
»Du hast also mit dem Fernglas geguckt, ob Gerd im Busch war?«, fragte ich schnell, um sie nicht zu einer Entgegnung auf die Schilderung ihres Mannes zu zwingen. Und ich ergänzte: »Was hast du zu Annegret über Gerd gesagt?«
»Dass er nichts taugt. Dass er sowieso nur das eine will. Und dass sie vorsichtig sein muss, weil sie sonst allein zurückbleibt auf dieser Welt.«
»Mein Gott!«, hauchte ihr Mann.
»Elisabeth, hast du am Donnerstag, als Annegret nicht nach Hause kam, mit dem Fernglas in den Busch geschaut?«
»Ja, habe ich. Und?«
»Hast du denn etwas gesehen?«
»Nein, habe ich nicht. Wenn die Kinder zu tief im Busch stecken, kannst du nichts erkennen.« Sie bemühte sich um Sachlichkeit.
»Als du Annegret gesagt hast, dass der Gerd nichts taugt: Wie hat sie reagiert?«
»Na ja, wie immer. Sie hat gesagt: Was du immer meinst, Mami!«
»Das heißt, sie ist nicht darauf eingegangen?«
»Auf solche Sprüche nie«, sagte Rainer Darscheid. »Sie war ein normales Mädchen mit normalen Ansichten und … und … na ja, Sehnsüchten. Und sie mochte Gerd.«
»Sie wollte nicht von ihm befummelt werden!«, beharrte Elisabeth.
Er blieb still und blickte zur Seite.
Es schleppte sich, Elisabeth litt, aber ganz langsam wurde ein Vorhang weggezogen und gab eine Szene frei, die ganz anders war als jene, von der ich bisher ausgegangen war. Elisabeth Darscheid hatte eindeutig gewusst, dass Annegret im Busch war. Und sie hatte befürchtet, dass Gerd Salm auch da war. Deshalb der Griff zum Fernglas, deshalb diese peinigenden Ahnungen, diese Angst.
»Elisabeth!«, sagte ich eindringlich. »Hast du je Spuren von Sperma an Annegrets Kleidern oder an ihrer Unterwäsche gefunden?«
Rainer Darscheid starrte mich verblüfft an, aber ich konnte ihm in diesen Sekunden nicht helfen.
Sie antwortete nicht, sie legte ihre weißen Hände ineinander und knetete sie.
»Antworte doch«, bat ihr Mann vorsichtig.
»Ja«, sagte sie knapp. Es war kaum zu hören.
»Ist das öfter vorgekommen?«, fragte ich weiter.
»Ja.«
»Und hast du mit deiner Tochter darüber gesprochen?«
»Das hatte doch keinen Zweck«, sie warf die Arme nach vorn.
Wieder herrschte Schweigen.
»Du hast ihre Kleidung nach Flecken durchsucht«, stellte ihr Mann fest. »Wie kann man so was machen? Wenn sie das mitbekommen hat, hast du alles Vertrauen verspielt.«
»Beantwortest du mir die Frage, wer dir als
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