Eifel-Träume
jetzt endgültig ein. Keine Aussage der Kinder stimmt. Das ist jetzt klar.«
»Du steigst jetzt endgültig ein? Wie soll ich das verstehen?«
»Na ja, bis jetzt habe ich nur am Rand mitgespielt. Jetzt will ich ins Zentrum.«
»Und was meinst du mit: Keine Aussage der Kinder stimmt?«
»Auch Bernard hat gelogen. Wie Kevin und Anke war er nur kurz zu Hause und hat sich dann auf sein Rad geschwungen. Und alle drei behaupten, sie seien nur so rumgefahren. Jeder für sich.«
»Woher weißt du das mit Bernard? Was sagt denn seine Mutter?«
»Kischkewitz lässt ja jede Aussage nochmal überprüfen. Und ursprünglich hieß es: Wie immer kam Bernard gegen dreizehn Uhr nach Hause. Dann hat er sich hingesetzt und Schulaufgaben gemacht. Später ist er dann zum Fußballspielen gegangen. Tatsächlich aber ist Bernard sofort aufs Fahrrad und abgedüst. Jetzt stellte sich heraus, dass die Mutter absolut keine Kontrolle hat. Bernard hat noch drei Geschwister, zwei sind älter, eine Schwester ist jünger. Die Mutter musste zugeben, dass niemand mitbekommen hat, wann der Junge verschwunden ist. Und niemand hat mitbekommen, wann er wieder zu Hause eintrudelte.«
»Das ist aber doch normal bei Kindern«, mischte sich Clarissa ein.
»Pass auf, das ist nicht dein Spielfeld«, sagte ich scharf.
»Ach, so ist das«, erwiderte sie spöttisch und lief die Stufen zum Garten hinunter.
»Sei nicht so schroff«, murmelte Rodenstock.
»Hör zu, Alter«, ich war sauer. »Ich habe im Moment jede Menge Probleme am Hals. Ich habe Clarissa, Vera, Anni und den Fall Annegret. Und ich habe dich, der du plötzlich auf die Idee gekommen bist, nach Mallorca auszuwandern, um dort dein Glück zu versuchen. Mein Programm reicht für eine wild gewordene Herde von Nachwuchstherapeuten. Und du sagst mir, ich soll nicht so schroff sein. Wo leben wir denn?«
»Aber Mallorca ist doch ein Sonnenland.« Das kam ganz sanft daher.
»Mallorca ist eine Ansammlung mittelmäßig funktionierender Gehirne, die bei Bedarf an der Garderobe abgegeben werden können. Ich habe in irgendeinem Programm einen so genannten Mallorca-Krimi gesehen. Da könntest du eine Hauptrolle kriegen.«
Er schwieg eine Weile und fragte dann: »War der Krimi so schlecht?«
»Noch viel schlechter«, entgegnete ich. »Was stellst du da bloß mit dir an? Und was stellst du mit Emma an?«
»Wenn ich … Ach, na ja, ihr versteht mich alle nicht.«
Jemand hüstelte hinter uns, dann sagte Tante Anni: »Ich hoffe, ich störe nicht.«
»Du störst nie«, erwiderte Rodenstock und rückte ihr einen Stuhl zurecht.
Sie setzte sich, schielte auf Rodenstocks Rotwein und ich sagte hastig: »Ich besorge dir ein Glas.«
»Es ist schön, wieder zu Hause zu sein«, lächelte sie.
»Und? Habt ihr die Welt auch schön in Ordnung gehalten, während ich weg war?«
»Wir haben den Abwasch gemacht, die Stube gekehrt, das Ungeziefer entfernt, die Kinder gebadet. Das Vieh ist im Stall, das Heu auf dem Boden.« Rodenstock war sichtlich erleichtert, dass er nicht mehr Thema war.
Anni legte mir eine Hand auf den Arm. »Du bist nicht zu mir gekommen, also komme ich zu dir. Wie steht die Mordsache?«
»Auf tönernen Füßen«, gab ich zur Antwort. »Niemand weiß, ob das Mädchen vielleicht mit jemandem verabredet war, und wenn ja, mit wem.«
Sie sah mich irritiert an und Rodenstock kam mir zu Hilfe. »Das Ganze verhält sich in etwa so …« In altbewährter strikter Manier fasste er zusammen, was wir wussten, ließ nichts aus, was wir nicht wussten. Sein Vortrag war knapp, ersparte sich jeden Schnörkel und verharrte auf den Sachlichkeiten. Das Fazit war, dass niemand den Schimmer einer Ahnung hatte, wer Annegret getötet haben könnte und warum.
Anni hatte Schlitzaugen vor Konzentration. »Ist geprüft worden, ob sich die Jungen um sechzehn Uhr tatsächlich zum Fußball getroffen haben? Und waren diese beiden Jungen – wie heißen sie, Kevin und Bernard? – auch dort vertreten?«
Rodenstock nickte. »Zu diesem Zeitpunkt war Annegret seit etwa zwei Stunden tot.«
»Wie weit ist der Busch von Annegrets Elternhaus entfernt?«
»Dreihundert Meter«, sagte ich. »Die Kinder hielten sich oft dort auf. Der Busch war ihr gemeinsamer Garten, wenn man so will.«
»Ist es dann nicht seltsam, dass ein Teil der Kinder an diesem Nachmittag einfach so rumfährt? Sollten sie nicht zum Busch fahren, wo Annegret schon war?«
»Das wäre logisch. Aber: Es kann auch sein, dass Annegret gesagt hat: Ich treffe da wen
Weitere Kostenlose Bücher