Eifelbaron
zu seinen Eltern fahren und sie bitten, seine Geburtsurkunde zu fälschen. Anschließend würde er sie eigenhändig töten, in einem Maar versenken und fortan jede Beziehung zur Eifel leugnen.
Sein Chef beugte sich vor. »Sie sind ein Eifler Jung. Sie kennen die Menschen, ihre Mentalität, das Land, die Gegend. Und Sie verstehen das Eifler Platt, was ja nicht immer einfach ist.« Er lachte glucksend. »Sie sind sicher glücklich, dass ich Sie in Ihre Heimat zurückbeordert habe?«
Welscher war sprachlos. Er konnte es nicht fassen, offenbar steckten seine Wurzeln so fest in dem hügeligen Boden der Eifel, dass es ihm selbst nach Jahren noch nicht gelungen war, sie herauszureißen. Glücklich? Am liebsten hätte er seinem Chef jetzt ins Gesicht geschrien, dass er hier noch nicht mal tot über dem Stacheldraht hängen wollte. Dass der Ausbruch eines Vulkans, von denen in der Eifel ja angeblich einige schlummerten, das Beste wäre, was der Region passieren könnte.
»Aber … ich wohne doch schon seit 2003 nicht mehr hier, bin mit zwanzig fortgezogen«, wandte er ein und merkte selbst, wie belanglos sich dieser Einwand anhörte.
Sein Chef winkte auch sofort ab. »Ach was, einmal Eifler, immer Eifler.« Er blickte auf die Uhr und stand auf.
Welscher tat es ihm nach. Er schwankte leicht, fühlte sich, als ob ein Lastwagen ihn überrollt hätte. Ein Eifler Jung, was für ein Scheiß, ja, schon fast eine Beleidigung. Mit seiner Heimat verband ihn nichts mehr, sah man davon ab, dass seine Eltern noch in der Gegend wohnten. Er war durch und durch ein Kölner, ein Städter, er liebte das Gedränge, den Verkehr, die Domspitzen, die alles überragten, und die Möglichkeit, auch ohne Auto problemlos in jede Ecke der Stadt gelangen zu können. Ein Eifler Jung war er so wenig wie die Kanzlerin. Am liebsten hätte er laut losgeschrien.
»Ich denke, wir stoßen jetzt besser zu den anderen. Es wird Zeit. Ich freue mich, dass wir uns ausgesprochen haben.« Sein Chef zwinkerte ihm zu. »Und übrigens: Ich heiße Bönickhausen.«
Wie betäubt ließ Welscher sich zur Tür schieben. Er spürte die Pranke auf seinem Rücken, fühlte sich, als ob ihn der Henker zum Schafott geleitete.
»Gehen Sie doch schon mal vor. Einfach die Treppe hoch, zweite Tür rechts. Ich komme gleich nach«, quäkte Bönickhausen.
Unvermittelt stand Welscher wieder im Vorzimmer. Hinter ihm schlug die Tür zu. Frau Kreuz’ aufdringliches Veilchenparfüm schwängerte die Luft und verstärkte sein Unwohlsein. Wie hatte er sich nur das Zepter so sehr aus der Hand nehmen lassen können? Sonst war er doch nicht auf den Mund gefallen. Eins war sicher: Die Chance, sofort klare Verhältnisse zu schaffen, war vorbei. Und wer wusste schon, wann Bönickhausen wieder Zeit für ihn haben würde. Welscher spürte eine schwere Last auf seiner Brust. Die Enttäuschung, das Gespräch versiebt zu haben, nagte an ihm. Er musste raus, seine Gedanken sortieren, fünf Minuten frische Luft schnappen. Frustriert stürmte er aus dem Zimmer und ignorierte, dass Frau Kreuz ihm noch etwas hinterherrief.
Fünf Minuten. Dann hätte er sich wieder im Griff.
* * *
Fischbach kam mit der Staatsanwältin Doris Schmitz-Ellinger fünf Minuten zu spät zur Besprechung. Neben Andrea Lindenlaub, Büscheler, dem Neuen und Bönickhausen hatte sich auch Landrat Amselmann Zeit genommen. Sie waren bereits alle um den großen Konferenztisch versammelt. Büscheler hatte die Beine übereinanderge- schlagen und wippte aufgeregt mit dem Fuß. Andrea Lindenlaub zupfte an ihren blonden Strähnen herum. Die Luft war abgestanden. Niemand hatte es für nötig gehalten zu lüften. Der Geruch erinnerte Fischbach an seine alten Turnschuhe. Er spürte die Spannung, die den Raum zu durchdringen schien.
Bönickhausen sprang auf und eilte der Staatsanwältin entgegen. »Frau Schmitz-Ellinger, schön, Sie zu sehen.« Er nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn an den Ständer neben der Tür.
Fischbach setzte sich auf den freien Stuhl neben Büscheler und sah stumm zu, wie Bönickhausen der Staatsanwältin den Stuhl zurückzog. Alter Charmeur, dachte er.
Mit der flachen Hand strich sich Doris Schmitz-Ellinger über ihre feuerrote Kurzhaarfrisur, die ihr den Spitznamen Mecki eingebracht hatte, und setzte sich. Sie glättete ihr weinrotes Kleid und drapierte ihren Seidenschal neu. Ihre zahlreichen goldenen Armreife rasselten. Nur der Schmutz an ihren kniehohen Stiefeln verriet, dass sie gerade von einem Tatort
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