Eifelbaron
Kerze brennt noch nicht lange«, unterbrach Schwester Regina seine Überlegungen.
Er sah ins Glas. Tatsächlich war bisher nur die oberste Wachsschicht verflüssigt. Hatte der weiße Corsa damit zu tun? Mist, er hätte sich das Nummernschild merken sollen. Aber mit so etwas rechnete ja keiner. Und schließlich konnte auch ein Spaziergänger das Licht hier aufgestellt haben.
Schwester Regina senkte den Kopf und betete stumm.
Fischbach störte sie nicht, er blickte sich währenddessen um. Die Sonne kämpfte sich durch die milchigen Wolken und vertrieb die Schatten. Was hatte er hier zu finden gehofft? Spuren, die sie bisher übersehen hatten? Lächerlich, bei Feuersängers Gründlichkeit. Den Täter, der reumütig zurückgekehrt war? Er betrachtete die Kerze. Die Flamme flackerte. Hatte der Täter sie vielleicht hierhingestellt? Blödsinn! Bei keinem der Verdächtigen, die sie im Visier hatten, rechnete er mit Gewissensbissen. Es war eine Schnapsidee gewesen, herzukommen. Wieder nur Zeit vertrödelt.
»Ich denke, wir können wieder«, sagte er ein wenig frustriert, nachdem Schwester Regina ihr stilles Gebet beendet hatte.
Sie nickte und folgte ihm. Bis zur Bildungsstätte hing jeder seinen Gedanken nach. An der Harley angekommen, gab er ihr seine Visitenkarte. »Wenn Ihnen doch noch etwas einfallen sollte, dann melden Sie sich bitte umgehend bei mir.«
Sie nahm die Karte, warf einen kurzen Blick darauf und steckte sie ein.
Fischbach reichte ihr zum Abschied die Hand.
Sie griff zu, ließ aber nicht gleich wieder los. »Ich hätte noch eine Bitte.«
Fischbach bemerkte, wie sie rot wurde.
Sie gab seine Hand frei. »Würden Sie eine Runde mit mir drehen?« Ihre blauen Augen sahen zu Fischbach auf. Sie wirkte wie eine Katze, die um Essen buhlte. »Ich wollte schon immer mal auf einer Harley fahren.«
Fischbach schnappte nach Luft. Das hatte er beim besten Willen nicht erwartet. Er hustete in die hohle Hand, fand schließlich seine Stimme wieder. »Ich nehme nie jemanden mit.«
Ihre Schultern sackten nach vorn. Die Enttäuschung war ihr anzusehen. »Verzeihen Sie bitte«, murmelte sie.
Du alter, steifer Hund, beschimpfte Fischbach stumm sich selbst. Spring doch mal über deinen Schatten. Es wird schon nichts passieren.
»Ach was, da gibt es nichts zu verzeihen. Also gut«, sprudelte es aus ihm heraus. »Holen Sie Ihren Helm und ziehen Sie sich wärmer an. Zwanzig Minuten kann ich entbehren.«
Schwester Reginas Gesicht strahlte wie die aufgehende Sonne. »Bin gleich wieder da«, jauchzte sie, rannte zum Eingang, verschwand im Inneren des Gebäudes und kam fünf Minuten später zurück. Sie trug jetzt eine Lederjacke, eine dicke Stoffstrumpfhose unter dem Habit und bereits den Helm auf dem Kopf.
Fischbach startete den Motor und wartete, bis Schwester Regina es sich auf dem knappen Sozius bequem gemacht hatte. Beherzt schlang sie die Arme um seinen Bauch und drückte sich an ihn. »Los!«, forderte sie ihn auf. Fischbach kam es so vor, als kutschierte er ein Kind durch die Gegend, dem er gerade das schönste Geschenk der Welt überreicht hatte, und nicht eine erwachsene Frau.
* * *
Welscher setzte sich an Fischbachs Schreibtisch und unternahm einen weiteren Versuch, das Passwort zu entschlüsseln. Er schob den Standrahmen mit dem Bild eines kleinen Mädchens zur Seite, um zu lesen, was sein Kollege auf der Oberfläche darunter notiert hatte. Genauso verfuhr er mit dem Tischkalender, dem Monitor und der Stiftebox. Abwegig war es ja nicht, zu vermuten, dass Fischbach das Passwort einfach mit einem Gegenstand abgedeckt hatte und das für eine geniale Idee hielt. Gottlob hatte er eine gut leserliche Handschrift, wenn auch mit fast kindlich runder Ausprägung. So versuchte Welscher nacheinander die Worte »Behörde« und »Essen«, eine Telefonnummer mit Kölner Vorwahl und eine Zahl, die verdächtig nach einer Kontonummer aussah. Ohne Erfolg.
»Mist«, fluchte er leise. Eine Viertelstunde lang versuchte er jedes Wort, das er fand. Immer meldete der Computer, begleitet von einem leisen Piepsen, dass das Passwort falsch sei. Sein Blick flog über die Tischoberfläche und suchte nach Auffälligkeiten wie fett geschriebenen Buchstaben, zu kleinen Lettern oder auffälligen Schreibfehlern. Doch es war nichts zu finden. Entnervt schlug er mit den flachen Händen auf die Tastatur. Offensichtlich hatte er den knorrigen Eifler Dorfbullen unterschätzt.
* * *
Auf der B 51 hinter Kreuzweingarten drehte
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