Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifelheiler (German Edition)

Eifelheiler (German Edition)

Titel: Eifelheiler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Jagusch
Vom Netzwerk:
sechs. Jetzt lohnte es
sich wirklich nicht mehr, nach Hause zu fahren. Ohnehin zog ihn nichts dorthin.
Seit seiner Trennung kam ihm seine Wohnung leer und trostlos vor. Manchmal
ertappte er sich bei Selbstgesprächen. Ihm fehlte eine Schulter, an die er sich
anlehnen konnte, an der er sich geborgen fühlte. Ihm war sogar schon der
Gedanke gekommen, alles hinzuschmeißen und von Köln in die Eifel zu ziehen.
Zwar verbanden ihn überwiegend schlechte Erinnerungen mit diesem Landstrich,
zumindest aber würden sich dadurch seine Fahrtzeiten zur Arbeit drastisch
reduzieren.
    Er schüttelte sich, nicht nur wegen der Kälte. Eifel, Gott bewahre.
Weitab seiner einsamen Wohnungswände konnte er sich kaum etwas Schlimmeres
vorstellen. Lieber würde er sich von der Domspitze stürzen. Rotnasige
Bauernburschen, die vollgesoffen auf Dorffesten Mädchen mit zu dicken Beinen
hinterhertorkelten. Vereinsmeier, die dogmatisch reglementierten, statt
Individualität als Zeichen von Freiheit zu werten. Mürrische Nachbarn, die
Zugezogene argwöhnisch musterten und sie am liebsten mit Großvaters alter WK 2-Flinte aus dem Dorf treiben würden. Mütter, die
ihre Kinder lieber zu einer Heilerin schleppten, als ein ordentliches
Krankenhaus aufzusuchen.
    »Stichwort Heilerin«, murrte er. »Warum noch warten?« Er stellte die
Rückenlehne aufrecht und stieg aus. Eine eisige Böe ließ ihn schaudern. Hier,
am westlichen Zipfel der Nordeifel, war der Winter definitiv noch nicht
vorüber. Trotz der erfreulich milden Temperaturen, die tagsüber bereits
herrschten. Das erinnerte ihn an seine Kindheit. In der Nähe von Mechernich
aufgewachsen, kannte er das Eifelwetter zur Genüge. Es hatte Jahre gegeben, da
war selbst im Mai noch Schnee gefallen. Und nicht umsonst hatte der schottische
Rennfahrer Jackie Stewart den Nürburgring einmal die grüne Hölle genannt. Auf
der über zwanzig Kilometer langen Nordschleife wechselte selbst zwischen nah
beieinanderliegenden Streckenabschnitten mitunter das Wetter. Es kam vor, dass
sich in einem einzigen Rennen Sonne, Regen, Nebel und Schneefall abwechselten
und so den Fahrern alles abverlangten.
    Fröstelnd schlug Welscher seinen Mantelkragen auf und ging den
Fußweg hoch in Richtung Dorfkern. Das Kopfsteinpflaster schimmerte feucht, das
Licht der Laternen spiegelte sich in den Pfützen. Die Bäume, die links und
rechts den Weg säumten, streckten ihre noch kahlen Äste in die Höhe. Trotzdem
konnte man bereits einen Hauch von Frühling in der Luft riechen, erdig, modrig,
ein wenig faulig. Würde man den Geruch nicht mit dem Ende der kalten Jahreszeit
in Verbindung bringen, wäre er vermutlich eher unangenehm. Auf seinem Weg zum
Tor betrachtete Welscher die kleinen Bilder, die längs der Gasse an der
Steinwand hingen. Überwiegend zeigten die Schwarz-Weiß-Aufnahmen Schauspieler
in unterschiedlichen Szenen. Auf einem Bild war ein Mann zu erkennen, daneben
ein paar vergilbte Buchstaben. Er beugte sich vor. »Winkeschmidt«, entzifferte
er. Auf einem anderen Bild fand er die Ankündigung eines Festspiels und die
Jahreszahl 1925. Er zog sein Smartphone aus der Hosentasche und googelte die
Angaben. Er fand eine informative Seite über Kronenburg. Interessiert las er und
erfuhr, dass ein Pfarrer namens Winkeschmidt hier im Dorf in den zwanziger
Jahren des letzten Jahrhunderts Freiluftfestspiele auf dem Gelände der
Burgruine organisiert hatte. Seine Intention war es gewesen, die arbeitslose
Landbevölkerung vom Saufen abzuhalten. Welscher lachte leise. Die Eifeler
schienen schon damals mit roten Nasen herumgerannt zu sein. Er unterbrach die
Internetverbindung und steckte sein Handy zurück in die Tasche.
    Nach wenigen Metern führte der Fußweg auf den Burgbering, der hier
seinen tiefsten Punkt in Kronenburg erreichte. Ein Torbogen überspannte die
Einmündung, rechts schloss sich Veronika Kramanns Haus an. Welscher wandte sich
nach links und folgte der aufsteigenden Gasse. Auch hier begegnete er keiner
Menschenseele. Am Schlosshotel blieb er stehen. Das große Zufahrtstor war
verschlossen. Angestrengt spähte er durch die Gitterstäbe. Auf dem
geschotterten Parkplatz standen Oberklasseautos Tür an Tür. Offensichtlich
herrschte hier ein gehobenes Ambiente. In der Küche des Hotels schien bereits
Leben eingekehrt zu sein. Ab und an klapperten Töpfe und klirrten Teller.
    Sein Magen knurrte. Sehnsüchtig blickte er zum Eingang des Hotels.
Sogar ein roter Teppich spannte sich dort bis zum Parkplatz. Ob er nachher

Weitere Kostenlose Bücher