Eifelheiler (German Edition)
Er könnte es
rechtzeitig schaffen. Hunger hätte er, doch Appetit stellte sich nicht ein. Er
wusste auch, woran das lag. »Ein wenig später, ja? Ich muss vorher noch etwas
erledigen.«
»Kein Problem«, sagte Sigrid mit einfühlsamer Stimme. »Bring ruhig
erst den Besuch bei der Tochter der Kramann hinter dich.«
Immer wieder erstaunte ihn Sigrid. Sie konnte seine Gedanken lesen
wie ein aufgeschlagenes Buch. »Ich klingel durch«, sagte er zum Abschied und
wählte anschließend Bianca Willms’ Nummer. Sie meldete sich sofort. »Kannst du
bitte bei der …« Er stockte und zermarterte sich sein Gehirn. Er hatte den
Namen vergessen. Oder hatte er ihn überhaupt noch nicht gehört? Wo war er nur
mit seinen Gedanken gewesen? Bei Jan, beantwortete er sich selbst die Frage.
Offensichtlich hatte ihm der Anruf aus dem Krankenhaus mehr Sorge bereitet, als
er sich zunächst eingestanden hatte. »… bei der jungen Kramann nachhören,
ob sie zu Hause ist? Ich will sichergehen, dass ich nicht umsonst hinfahre.
Sind ja fast achtzig Kilometer.«
»Du meinst Barbara Wolf?«
»Wenn sie so heißt.«
»Bleib dran.«
Geduldig wartete Fischbach und nutzte die Zeit, um die anstehende
Strecke im Kopf durchzugehen. Barbara Wolf wohnte in Kyllburg, das hatte er
noch irgendwie abgespeichert. Am schnellsten wäre er, nähme er die B 51
und die B 60. Reizvoller war es, die B 421 bis Hillesheim zu
wählen und dann über Gerolstein, Birresborn und Densborn zu fahren. Könnte zwar
noch etwas schattig sein, aber das jahrelange Motorradfahren hatte ihn
abgehärtet. Selbst im tiefsten Winter kämpfte er sich mit dem Zweirad von Dorf
zu Dorf.
»Hörst du?«
»Bin noch dran.«
»Sie erwartet dich.«
»Hat sie wissen wollen, warum ich komme?«
Bianca Willms antwortete nicht sofort. »Sie hat gesagt, sie habe
meinen Anruf erwartet.«
Nachdenklich rieb sich Fischbach das Kinn. »Seltsam.«
»Finde ich auch. Meinst du, sie hat etwas mit dem Mord zu schaffen?«
»Nicht so voreilig«, bremste er sie, obwohl er genau das Gleiche
gedacht hatte. »Ich fahr jetzt los.« Er drückte das Gespräch weg und rollte
wenig später mit seiner Harley vom Krankenhausparkplatz.
***
Die Oberkailer Straße war menschenleer, als Fischbach nach
Kyllburg hineinfuhr. Vor der Pizzeria überquerte er die mit Schmelzwasser
dahinbrausende Kyll. Rechts des Weges ragte das mächtige steinerne Tunnelportal
der Eisenbahn auf wie ein riesiges, geöffnetes Maul und schien ihn verschlingen
zu wollen. Kurz darauf erreichte er die Stiftstraße, drosselte das Tempo und
achtete auf die Hausnummern. Vor dem Haus, in dem Barbara Wolf wohnte, stoppte
er. Der unscheinbare graue Rauputz bröckelte an einigen Stellen der Fassade ab.
Die Fenster hätten einen Anstrich vertragen können. Links neben dem Eingang
hing ein kuchenblechgroßes Schild, mit dem ein Günter Wolf auf seinen
Malerbetrieb hinwies. Sicher der Ehemann, dachte Fischbach. Sollte sich besser
mal um sein eigenes Anwesen kümmern. Er kickte den Seitenständer mit der Hacke
seines Stiefelabsatzes raus und stellte die Maschine darauf. Noch während er
mit dem Helmverschluss beschäftigt war, öffnete sich die Haustür und eine Frau
fragte: »Sind Sie der Polizist?«
Fischbach streifte den Helm ab, ging auf sie zu und gab ihr die
Hand. »Ja. Kommissar Fischbach aus Euskirchen.« Er fummelte seine Marke aus der
Hosentasche und zeigte sie ihr.
Flüchtig warf sie einen Blick darauf und ließ ihn eintreten.
»Geradeaus bitte, in die Küche.«
Die Küchenzeile bestand aus einfachen Kiefermöbeln mit weißen
Einbaugeräten. Regale, auf denen Einmachgläser standen, zogen sich an den
Wänden entlang. An der Decke hingen getrocknete Kräuterbündel, die einen
aromatischen Geruch verströmten. Fischbach roch Minze, Rosmarin und Bärlauch.
Durch zwei Fenster fiel Licht in den Raum und zeichnete zwei große helle
Rechtecke auf den dunkelgrauen Fliesenboden.
Barbara Wolf bot ihm einen Platz und einen Kaffee an.
»Gerne«, sagte Fischbach und setzte sich an den Tisch.
Sie nahm eine Kanne, löffelte Kaffeepulver in den Filter, griff sich
einen Flötenkessel vom kleinen Kohleofen und goss Wasser auf.
Fischbach musterte sie. Barbara Wolf war für eine Frau recht groß,
bestimmt über eins achtzig. Sie hatte ihr dunkles Haar mit einem Haarreif nach
hinten gebunden, ein ungeschminktes Gesicht mit zierlicher Nase und schmale
Lippen. Sie trug eine Jeans und eine karierte, weite Bluse, die ihren dünnen
Körper umspielte, ein
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