Eifelheiler (German Edition)
sanfter Stimme.
Dankbar blickte er sie an. »Was Belebendes, gerne.«
Sie stand auf und zog ihren Morgenrock enger um ihren Bauch. Mit
routinierten Handgriffen drehte sie das Gas auf, entzündete die Flamme und
stellte den Flötenkessel auf den Herd. »Ich habe noch irgendwo einen
schwarzen.«
Welscher mochte Sigrid. Sie erinnerte ihn immer an diese eine Köchin
aus dem Fernsehen. Sein ehemaliger Freund hatte sich freitagabends immer »Lanz
kocht« reingezogen. Dort war sie ihm mit ihrer heiteren Art aufgefallen. Eine
Luxemburgerin, wenn er sich recht erinnerte. Sigrid hatte wie die Köchin stets
ein freundliches Lächeln in den Mundwinkeln. Fischbachs brummige Art ertrug sie
mit einer ihr innewohnenden stoischen Ruhe. Dazu hatte sie immer ein offenes
Ohr und ausgezeichnete Ratschläge zur Hand, gerade wenn es um
zwischenmenschliche Dinge ging. Vor nicht allzu langer Zeit war Welscher für
ein paar Tage im Hause Fischbach untergekommen. Seine damalige Partnerschaft
war gerade in die Brüche gegangen, nur war es ihm zu dem Zeitpunkt noch nicht
klar gewesen. Die überraschende Versetzung in die Eifel und die Untreue seines
Freundes hatten ihn fast aus der Bahn geworfen. Nicht ein einziges Mal hatte er
bei seinem Aufenthalt hier den Eindruck gehabt, er wäre lästig oder nicht gerne
gesehen. Sigrid hatte ihn wie einen angenommenen Sohn verwöhnt.
Sie öffnete die Küchenschranktür und kramte im Inneren.
»Schwarz ist gut, aber bitte nicht zu lange ziehen lassen.«
Sie hielt inne und blickte ihn überrascht an. »Nicht so lange? Ich
dachte, du wolltest ihn stark?«
»Es gibt eine Faustformel«, erklärte Welscher. »Bis drei Minuten
gezogener Tee wirkt anregend, ab fünf Minuten hat er eine beruhigende Wirkung.
Das ist aber nicht ganz richtig. Tatsächlich geht in den ersten zwei bis drei
Minuten vor allem das Koffein in Lösung und sorgt für einen belebenden Effekt.
Die im Teeblatt enthaltenen Polyphenole lösen sich langsamer im Wasser, wandeln
dabei aber das Koffein in eine wasserunlösliche Form um. Das hebt den
anfänglich belebenden Effekt wieder auf, denn je länger der Tee zieht, umso
geringer wird der Anteil des nutzbaren Koffeins. Der Fünf-Minuten-Tee wirkt
also nicht beruhigend, sondern lediglich nicht aufmunternd.«
Dass Welscher zu so früher Stunde noch ein halbes Referat über Tee
halten konnte, erstaunte ihn selbst am meisten.
Sigrid kicherte. Ihre Röllchen, die sie anmutig und stolz um sich
herum trug, wogten im Takt. »So was würde sich Hotte nie merken. Dem kannst du
hinstellen, was du willst, der trinkt alles, ohne eine Miene zu verziehen.
Obwohl … bei der Mischung, die ich gegen Erkältungen einsetze, mault er hin und
wieder.« Sie schob einige Packungen in dem Küchenschrank hin und her. »Ah,
hier, ein Assam.« Sie nahm zwei Beutel aus der Packung und hängte sie in die
Tasse.
Fischbach kam in die Küche. »So, das wäre erledigt.« Er setzte sich
auf die Eckbank und faltete die Hände auf dem Tisch. Unaufgefordert stellte
Sigrid ihm einen Kaffee hin, daneben Zucker und Milch.
Welscher bemerkte, wie Fischbach kurz zu den Zutaten rüberschielte
und dann auf seinen Bauch blickte. Er wusste, dass Fischbach unter seinem
Übergewicht litt. Doch Sigrid liebte jedes Pfund an ihrem Mann und unternahm
alles, um eine Diät scheitern zu lassen. Auch wenn sie dafür zwei Wochen lang
täglich sein Leibgericht kochen musste: Schweinebraten mit Rotkohl.
»Was sagen die Chefs?«, wollte Welscher wissen. »Bilden wir wieder
eine eigenständige Mordkommission?«
»Ja. Bönickhausen hat mit dem Landrat gesprochen. Es gibt immer noch
Rückendeckung aus Düsseldorf. Wir dürfen ohne die Bonner ran.« Fischbach nippte
an seinem Kaffee, verzog den Mund und schüttete etwas Milch in die Tasse.
Der Kessel flötete, und Sigrid goss den Tee auf. »Wirst du die
Leitung übernehmen?«, fragte sie wie beiläufig. Doch Welscher hörte ihre
Besorgnis heraus. Er wusste, dass Fischbach vor Jahren einen Zusammenbruch
gehabt hatte. Die Hintergründe kannte er nicht, doch er ahnte einen
Zusammenhang mit dem abgedeckten Ding in Fischbachs Werkstatt. Sigrid hatte ihm
geraten, Fischbach nicht zu drängen. Er würde seine Geschichte von allein
erzählen, wenn er ihn erst ins Herz geschlossen hatte. Welscher vermutete, dass
Sigrid sich Sorgen machte, es könnte erneut in einem psychischen Chaos enden,
wenn der Stress oder die Verantwortung ihren Mann zu sehr belasten würden.
Nachvollziehbar war das. Als Leiter einer
Weitere Kostenlose Bücher