Eifelheiler (German Edition)
Klötschs Kleidung hafteten.
Bloß weg hier.
ZEHN
Fischbach stürmte durch den Haupteingang der Euskirchener
Polizeibehörde. Im Flur kam ihm Bönickhausen entgegen. »Ah, da bist …«
»Gleich, gleich«, unterbrach ihn Fischbach. »Ich komme sofort.« Ohne
sich noch mal umzuschauen, öffnete er die Tür zum Männerklo. Während der Fahrt
hatte der Druck in seinem Bauch stetig zugenommen. Jetzt war es höchste
Eisenbahn.
Im Waschraum warf er den Helm mit der Oberseite nach oben in das
Waschbecken, die Lederjacke ließ er auf den Boden fallen. Erleichtert sah er,
dass seine Stammkabine frei war. Auf den mit grober Handschrift beschrifteten
Zettel, der an der Tür hing, achtete er nicht. Dafür war keine Zeit mehr. Er
streifte die Hosenträger von den Schultern, klappte den Deckel hoch,
kontrollierte noch rasch den Papiervorrat, ließ die Hose fallen und setzte
sich. Keine Sekunde zu früh. Er schloss die Augen und genoss es, wie sich sein
Bauch entkrampfte. Gerade noch mal gut gegangen, dachte er und öffnete die
Augen.
Ein Schmierfink hatte mit schwarzem Filzschreiber einen Spruch auf
der weißen Tür hinterlassen. »Laute Fürze stinken nicht, aber die so leise
zischen und so still dem Arsch entwischen, Mensch, vor denen hüte dich, denn
die stinken fürchterlich.«
Da schien irgendein Kollege noch nicht erwachsen geworden zu sein.
Auf der Schultoilette, vor Jahrzehnten, waren die Sprüche bei längeren
Sitzungen unterhaltsames und ablenkendes Beiwerk gewesen. Stets hatte Fischbach
versucht, den Gang auf die Schultoilette zu vermeiden. Nie war man dort vor den
Scherzen der Mitschüler gefeit, schutzlos ausgeliefert, verkrampft vor
Anspannung.
Jetzt und hier, direkt vor seiner Nase, wirkte der Spruch auf der
ansonsten weißen Oberfläche der Toilettentür jedoch so fehl am Platz wie eine
Palme in der Antarktis. Bönickhausen würde dem Verantwortlichen den Hintern
aufreißen, sollte er den Dichter jemals erwischen. Sein Chef war bekennender
Graffitigegner. Eine Schmiererei im eigenen Haus würde ihn rasend machen.
Fischbach fiel ein Spruch seines Vaters ein: »Dä Futz moot eruss, dä
hät de Meet net bezahlt.« Würde sich auf der weiß lackierten Tür auch gut
machen, überlegte er.
Als Vertreter war sein Vater früher viel herumgekommen. Für jede
Lebenssituation hatte er einen passenden Spruch auf den Lippen gehabt. Niemand
sonst, den Fischbach kannte, hatte die rheinischen und eifelerischen Dialekte
so gekonnt durcheinandergewirbelt wie sein Vater. Fischbach hatte zugehört,
alles aufgeschnappt und abgespeichert.
Er rümpfte die Nase. Es wurde eindeutig Zeit aufzubrechen.
Er reinigte sich und zog die Hose hoch. Beherzt drückte er die
Spültaste. Die ließ sich überraschend leicht betätigen, kein großer Widerstand
stemmte sich dem Verschluss im Inneren entgegen. Und der Wasserschwall im
Klosett blieb aus.
Fischbach stöhnte auf, hämmerte hektisch auf den Knopf ein, doch
kein Tropfen Wasser ließ sich blicken. »Sch…«, setzte er zum Fluch an, hielt
aber inne, als ihm bewusst wurde, wie gut das die Situation beschrieb. Stumm
klappte er den Deckel zu. Er wollte nicht weiter auf das Elend starren. Kurz
überlegte er, einfach das Weite zu suchen. Sollte sich jemand anders um das
Malheur kümmern. Doch er hatte ja Bönickhausen getroffen und keinen Zweifel
daran gelassen, dass er das stille Örtchen aufsuchen würde. Der Rückschluss auf
ihn als Nestbeschmutzer würde sich als nicht allzu schwer erweisen.
Der Wasserhahn am Becken fiel ihm ein. Er öffnete die Tür und
bemerkte den Zettel, den er vorhin in seiner Eile ignoriert hatte: »Defekt.
Bitte andere Kabine benutzen. Handwerker ist benachrichtigt.«
Fischbach spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Super. Gleich würde
ein kräftiger Wasserinstallateur hereinspazieren und ihn zum Teufel wünschen.
Nervös spähte er in die Waschzone. Niemand da. Aber womit sollte er
das Wasser vom Hahn … Fischbachs Blick fiel auf seinen Helm. Würde die Menge
ausreichen, um ordentlich durchzuspülen? Besser als nichts, urteilte er. Er
griff sich die Halbschale und ließ Wasser reinlaufen. Sein Nacken verspannte
sich, als er daran dachte, dass er den Heimweg mit dem feuchten Helm würde
antreten müssen. Der Wasserstand erreichte den Rand des Gesichtausschnitts.
Vorsichtig trug er den Helm zur Kabine. Einige Spritzer Wasser schwappten über
und benetzten die Fliesen. Fischbach achtete nicht darauf. Sein Blick galt dem
Klosettdeckel, den er vorhin
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