Eifelheiler (German Edition)
am Nachmittag.«
»Und wiedergekommen?«
»Sagte ich doch eben schon. Vorhin.« Er blickte auf seine
Armbanduhr. »Um drei war ich zu Hause.«
»Gibt es dafür Zeugen?«
Rethmeiers Beine hielten in der Bewegung inne. Überrascht sah er
Fischbach an. »Zeugen? Was läuft hier eigentlich? Werfen Sie mir was vor?«
Welscher schloss die Akte und holte tief Luft. »Ihre Vermieterin,
Frau Veronika Kramann, ist am Samstag ermordet worden. Wir sind die
ermittelnden Beamten in dieser Sache. Wenn sich Ihr Alibi bestätigt, haben Sie
nichts zu befürchten.«
Wie von einem Katapult beschleunigt, sprang Rethmeier auf. Seine
Augen weiteten sich. »Vrönn? Tot?«, hauchte er.
»Leider, ja.«
Langsam ließ Rethmeier sich wieder auf den Stuhl sinken.
»Ist Ihnen in letzter Zeit etwas aufgefallen?«, fragte Fischbach und
spielte an seinen Hosenträgern. »Unregelmäßigkeiten zum Beispiel?«
Rethmeier schüttelte den Kopf. »Nein, nichts.« Dann änderte er seine
Meinung. »Oder doch. Vrönn hatte den Verdacht, dass jemand im Haus
rumschleicht. Ich habe es nicht ernst genommen. Alte Frauen sind ja schon mal
etwas seltsam und bilden sich Dinge ein.« Er lachte gequält. »Vielleicht hätte ich
anders reagieren sollen. Ich meine, möglicherweise war da wirklich was dran.«
»Sie selbst haben also nichts davon mitbekommen?«
»Nein. Das muss aber nichts heißen. Wir haben zwar einen gemeinsamen
Hauseingang, und die Treppe im Flur nutze ich auch. Aber mein Zimmer liegt über
dem Tor des Fußwegs, der runter zur Wilhelm-Tell-Gasse führt, getrennt vom
restlichen Haus. Und wenn ich penne, dann penne ich. Sie könnten eine Atombombe
neben mir zünden, ich würde von dem Knall nicht aufwachen.«
Von dem Geist in Veronika Kramanns Haus wurde ihnen heute nicht zum
ersten Mal berichtet. Das machte Fischbach nachdenklich. Es schien die alte
Frau wirklich geängstigt zu haben. Aber wer brach schon mehrmals in ein Haus
ein und entwendete dann noch nicht einmal was? Jemand, der auf der Suche nach
etwas Bestimmtem ist, gab Fischbach sich selbst die Antwort. Aber nach was?
»Nehmen wir mal an, es war tatsächlich jemand im Haus«, sagte
Welscher. »Was könnte der Anlass gewesen sein?«
Gebannt wartete Fischbach auf die Antwort. Sein Kollege hatte
offensichtlich den gleichen Gedankengang gehabt wie er.
Rethmeier tippte mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Ihr Geld, was
sonst?«
»Eine größere Summe?«, hakte Welscher nach.
»Ihre ganzen Ersparnisse. Vrönn bewahrte alles zu Hause auf. Sie
vertraute keiner Bank mehr, da war sie eigen. Sie hat mir das mal bei einem
Kaffee erzählt. Allerdings weiß ich nicht, wie viel Bargeld sie zu Hause
hortete.«
»Haben Sie sie nicht gewarnt? Das ist doch nicht ungefährlich«,
meinte Welscher. »Dabei denke ich noch nicht mal an ein Verbrechen, eher an
einen Brand.«
»Klar habe ich sie gewarnt«, erklärte Rethmeier. Seine Beine hüpften
längst nicht mehr so stark auf und ab. »Sie hat nur gelacht und gemeint, dass
alles sicher verstaut wäre.«
Doch ein Raubmord, dachte Fischbach. »Wie war Ihr Verhältnis zu Frau
Kramann?«
Rethmeiers Miene hellte sich auf. »Ausgezeichnet. Irgendwie war sie
mit meiner Mutter über zig Ecken verwandt. Die Familie war Vrönn wichtig, da
gab sie ihr letztes Hemd. Mich hat sie sogar mietfrei bei sich wohnen lassen.«
Er wiegte den Kopf. »Zentral liegt Kronenburg nun wirklich nicht, und
normalerweise würde mich da nichts hinziehen. Aber so kann ich mir ein Auto
leisten, und husch, husch ist man überallhin.«
»Wenn das Geld knapp wurde, half Frau Kramann da auch aus?«, fragte
Fischbach.
Verlegen schmunzelte er. »Kam vor, ja.«
Welscher stand auf, setzte sich auf die Tischkante und beugte sich
vor. »Reichte trotzdem nicht immer, oder?«, fragte er und zwinkerte Rethmeier
freundlich zu.
Der massierte sich, nun weitaus entspannter, in kreisenden
Bewegungen den Nacken. »Ich reise halt gerne.«
»Und die gute Frau Kramann war zwar großzügig, aber so sehr, dass
sie auch Ihre Reisen finanzierte, dann doch wieder nicht. Stimmt’s?«
Der Takt, in dem sich Rethmeiers Beine bewegten, wurde wieder
schneller. »Dafür habe ich sie nie angegangen«, echauffierte er sich. »Ich
verdiene selbst Geld.«
»Womit?«
»Ich kellnere, das können Sie gerne überprüfen.«
Welscher tippte ihm auf die Brust. »Ein Vermögen kann man damit
allerdings nicht verdienen. Anstrengend ist es außerdem.« Er lehnte sich zurück
und verschränkte die Arme vor der Brust.
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