Eifelteufel - Kriminalroman
vor. »Kein Heim, auch nicht für ein paar Tage.«
Ãberrascht über ihren Ausbruch lehnte sich Welscher zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber so etwas kann ein Arzt â¦Â«
»Nein.«
Langsam wurde es ihm zu bunt. Wenn seine Mutter alles in den Wind schlug, was er anbot, konnte er auch gleich gehen und sie machen lassen, was immer sie wollte. »Du kannst ihn nicht über Nacht einfach einschlieÃen. Es muss jemand auf ihn aufpassen.«
Aus dem Wohnzimmer drang ein herzhaftes Lachen zu ihnen herüber, schwere Schritte polterten auf den Dielen. Dann stand sein Vater in der Tür. »Oh, Besuch?«, fragte er und streckte die Hand aus.
Das kannte Welscher bereits. Schon vor Monaten, als er nach langer Zeit mit Lars an der Hand wieder hier aufgetaucht war, hatte sein Vater ihn nicht mehr erkannt. Die Erinnerungen im Kopf seines Vaters zerplatzten nach und nach wie Seifenblasen. Zum Ende hin würden nur wenige übrig bleiben, bis auch die fortgespült wurden. Ein schreckliches Schicksal.
»Theodor Welscher«, stellte sich sein Vater vor und lächelte erfreut. »Oder Theo, das ist auch ⦠in â¦Â«, er stockte, runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. »Wie heiÃt das â¦Â«
»In Ordnung?« Welscher wusste, dass der Wortschatz bei Alzheimerpatienten wegbröckelte wie erodierendes Gestein. Vermutlich wäre es besser gewesen, geduldig zu warten, statt auszuhelfen. Aber die Gelassenheit konnte er einfach nicht aufbringen.
Die Miene seines Vaters hellte sich auf. »Ja!« Er lieà die Hand los und klatschte sich an die Stirn. »Die Dinger ⦠äh â¦Â«
»Worte?«
»Ja!«
»Passiert mir auch hin und wieder«, tröstete Welscher ihn.
»Ah, ja, ja.« Fröhlich pfeifend ging Theo zu Hannelore, drückte sie und gab ihr einen dicken Kuss auf die Wange. »Essen?«
»Du hattest doch gerade erst Bratkartoffeln.«
Er runzelte die Stirn. »Echt? Aber ⦠Hunger.«
»Ich mach dir gleich was.«
»Danke.« Ein wenig ungelenk schlenderte er an Welscher vorbei und blieb eine Sekunde im Flur stehen, bevor er zurück ins Wohnzimmer ging. »Ei⦠hm ⦠Zug?«, rief er.
»Unter dem Sofa«, antwortete Hannelore. »Ich helfe dir gleich, wenn ich mit dem Essen fertig bin.«
Welscher hörte ein zustimmendes Brummen, dann das Summen eines Kinderlieds.
»Eine Modelleisenbahn? Oder wovon spricht er?«, fragte Welscher.
Sie setzte eine Pfanne auf den Herd, holte zwei Eier aus dem Kühlschrank und schlug sie auf. »Als Kind hatte er eine. Die stand immer unter dem Sofa. Er spielt nicht wirklich damit, sucht nur danach. Es reicht, wenn ich es ihm bestätige.«
Welscher bewunderte ihre Gemütsruhe.
»Er lebt in einer anderen Welt«, erklärte sie, »für ihn ist sie Realität. Es gibt zwar Berührungspunkte zu der unsrigen. Doch es bringt nichts, ihm erklären zu wollen, dass unsere Welt die wahre ist. So etwas verwirrt ihn nur.«
Die Eier brutzelten in der Pfanne. Welschers Magen knurrte.
»Okay, du musst wissen, was du machst«, sagte er, obwohl er bezweifelte, dass dieses Vorgehen richtig war. Sollte man die Patienten nicht besser so lange fordern wie möglich, um sie in der Realität zu halten? Er sah auf die Uhr. Der Stundenzeiger bewegte sich auf die Elf zu. Es wurde Zeit, aufzubrechen. Bestimmt wartete Lars bereits auf seinen Anruf. »Um noch mal auf deine Operation zurückzukommen: Wie stellst du dir das denn jetzt vor?«
Mit einem Ruck zog sie die Pfanne von der heiÃen Platte. Ihre Finger umklammerten so fest den Griff, dass die Knöchel weià hervortraten. »Ich habe einen groÃen Fehler gemacht. Ich hätte zu dir halten sollen, als er dich wegen deiner Homosexualität aus dem Haus getrieben hat. Für meine Feigheit schäme ich mich, jeden Tag, jede Minute.«
»Geschenkt.« Welscher winkte ab. »Das Thema hatten wir doch schon. Ich habe dir gesagt, dass du dir darum keine Sorgen mehr machen musst.«
»Das freut mich, Jan, wirklich, und ich hoffe inständig, dass es wahr ist.«
»Versprochen.«
»Gut. Denn ich habe eine Bitte.«
Er hob den Arm und klopfte auf seine Uhr. »Komm zur Sache, Mama. Ich will nach Hause.«
Sie lieà den Pfannengriff los, setzte sich vor ihn hin, ergriff seine Hände und legte sie in ihre. »Jan, ich
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