Eifler Zorn
imaginäres
Gaspedal, schwieg aber und schaute aus dem Fenster auf die Landschaft.
»Der läuft uns schon nicht
weg«, bemerkte Sauerbier mit einem Seitenblick auf sie und drosselte das Tempo
weit vor dem Kreisverkehr an der Roggendorfer Sommerrodelbahn auf zwanzig
Stundenkilometer.
»Von wem kam die Meldung?«
»Die Wache hat uns
informiert.«
»Wer hat Dienst?«
»Du freust dich wohl auf ein
Wiedersehen mit deiner Freundin Ina Weinz?«
»Sie ist nicht meine
Freundin.« Judith hob die rechte Hand und trommelte mit der Rückseite ihrer
Nägel an die Scheibe der Beifahrertür. »Sie ist meine Tutorin.« Sie betrachtete
den Ring an ihrer linken Hand. »Gewesen.« Das Einzige, was sie noch mit ihrer
Zeit in der Eifel verband, war Kai Rokke Hornbläser, mit dem sie mal mehr und
mal weniger zusammen war. Gerade mal wieder weniger.
»Sie ist eine Nervensäge«,
stellte Sauerbier fest. Judith biss sich auf die Lippen und unterdrückte ein
Grinsen. Das Verhältnis zwischen Ina Weinz und Horst Sauerbier war legendär
schlecht. Selbst die Kollegen in Bonn sprachen hinter vorgehaltener Hand davon,
wie sich die ehemalige Kriminalhauptkommissarin Ina Weinz trotz ihrer
Beurlaubung sehr erfolgreich in die Aufklärung des Mordes an einem Professor
eingemischt und, ein halbes Jahr später, als sie offiziell als Polizeihauptkommissarin
in der Schleidener Wache Dienst tat, Sauerbiers Ermittlungen in einem neuen
Fall ebenfalls nicht im besten Licht hatte dastehen lassen.
»Was wissen wir?«,
ignorierte sie Sauerbiers Äußerung und fügte hinzu: »Ist der Arzt schon vor
Ort?«
Sauerbier knurrte
Zustimmung.
»Und?« Sie beugte sich vor,
zog ihren Rucksack auf den Schoß und holte ihr Notizheft heraus. »Welche
Informationen haben wir bisher?«
»Gemach, gemach, Mädchen.
Wir werden schon früh genug alles Wissenswerte erfahren.« Sauerbier schaltete,
und der Wagen ruckelte sich in den nächsten Gang. Judiths Magen verkrampfte.
Sie nahm sich fest vor, beim nächsten Mal darauf zu bestehen, selbst zu fahren.
»Lassen wir ihnen einen netten kleinen Vorsprung. Bis wir da sind, ist alles
Notwendige vorhanden, und wir müssen nicht lange in der Gegend herumstehen.«
Judith schnaubte leise. Sie
hasste es, Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen. Sie hatte gern die
Kontrolle über das, was geschah, und war der Meinung, das am besten durch eine
gründliche Vorbereitung gewährleisten zu können. Aber dazu war es jetzt zu
spät. Nicht gut.
»Ach, und noch was.«
Sauerbier setzte den Blinker und bog nach rechts in eine Baustelleneinfahrt
ein. »Halt mir während der Ermittlungen die Weinz vom Hals. Und danach«, er
piekste mit dem Zeigefinger in ihren Oberarm, »hältst du dich ebenfalls von ihr
fern.«
Ein eher kleiner Bagger
hockte wie eine hungrige Giraffe am Rand der Baugrube, den Greifarm nach oben
gestreckt. Noch während Sauerbier den Wagen abstellte, blickte Judith sich suchend
um. Sie zuckte zusammen, als jemand ans Fenster klopfte. Es war nicht Ina,
sondern eine andere uniformierte Polizistin, die sich als Sandra Kobler
vorstellte, als Judith die Tür öffnete und ausstieg.
»Ein ungewöhnlicher Fund«,
erklärte Sandra Kobler, während sie Judith und Sauerbier den Weg zeigte und mit
ihrer Äußerung Judiths nächste Frage vorwegnahm. »Fettwachsleichen sind nicht
so häufig, meinte der Arzt.«
»Wo ist er?«
»Noch bei der Leiche unten.
Da.« Sandra Kobler war am Rand der Grube stehen geblieben und zeigte auf einen
Mann in Jeans und Pullover, der neben dem Leichnam hockte und Fotos machte. Sie
wandte sich ab, als ihr Telefon klingelte, und signalisierte Judith und
Sauerbier, allein hinunterzusteigen.
Sauerbier betrachtete die
Leiter mit einer großen Portion Misstrauen, rüttelte kurz an einem der
senkrechten Holme und trat vorsichtig von der Grube zurück.
»Ich schau mich mal hier
oben um, du kannst mit dem Arzt sprechen.« Er nickte kurz und stapfte wieder in
Richtung Auto davon. Judith seufzte. Auf der einen Seite war sie froh, dass er
ihr freie Hand gab, auf der anderen Seite ahnte sie bereits, wie diese
Ermittlungen, zu denen er sie ja nur als Assistentin in Vertretung des
erkrankten Teamkollegen hinzugezogen hatte, ablaufen würden. Eine Menge Arbeit,
wenn nicht alles, würde an ihr hängen bleiben.
»Solche Fettwachsleichen
können nur unter ganz speziellen Bedingungen entstehen.« Thomas Breitenbacher
stand auf, griff in seine Ledertasche und zog ein Formular mit mehreren
Durchschlägen heraus. »Kompletter
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