Eifler Zorn
die Emanzipationsidee aber auch noch nicht vorgedrungen.«
Sandra schwieg. Ich biss mir auf die Lippe. »Entschuldigung, Sandra. Ich wollte
mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen.«
»Schon gut.« Sie zog ihr
Telefon heraus und drückte ein paar Tasten. »Es ist halb so wild.« Sie nahm die
Schultern zurück und lächelte mich an. »Aber ich muss jetzt wirklich heim.
Luisa macht Zicken.« Sie wies auf ihr Handy, auf dessen Display ich mehrere SMS erkannte. »Ich würde gerne nach Hause fahren und
nachsehen, wie groß das Chaos ist.«
Ich sah mich um. Alles lief,
wie es laufen sollte. Die Kripo in Form von Horst Sauerbier und Judith Bleuler
schien alles im Griff zu haben. Die Arbeit der Schutzpolizei war getan.
»Ich kläre es kurz ab und
gebe ihnen noch mal meine Nummer, sollten sie Fragen haben. Aber ich vermute,
sobald die Spusi fertig ist, machen die beiden auch Schluss für heute.«
Ein dunkler Kombi rollte auf
das Gelände, der Fahrer stieg aus und ging dann auf Judith zu, die ihn zu sich
gewunken hatte. Ich folgte ihm.
»Gut, dann wäre das
geklärt«, hörte ich Judith sagen, als ich die beiden erreichte, und sah, wie
sie dem Bestatter ein Formular überreichte.
»Wird er obduziert?«, fragte
ich.
»Ja.«
»Habt ihr etwas gefunden,
was auf seine Identität hinweist?«
»Nein.«
»Oh, nicht so viele Infos
auf einmal, Judith. Du erschlägst mich ja förmlich mit deinem Redeschwall.«
»Du weißt, dass ich dir als
ermittelnde Beamtin keine weiterführenden Informationen geben darf«, hielt sie
mir knapp entgegen.
»Bitte?«, fragte ich
entgeistert, und als sie nicht antwortete, sondern kurz in Sauerbiers Richtung
blickte, fuhr ich fort: »Ah, daher weht der Wind. Hat der Herr Kriminaloberkommissar
Sauerbier genaueste Instruktionen gegeben, wie du mit der lästigen Frau
Polizeihauptkommissarin Umgang pflegen sollst? Damit sie sich bloß nicht wieder
in seine Angelegenheiten einmischt?« Ich schüttelte den Kopf und würgte die
Bemerkungen über Opportunismus, Solidarität und Karrieregier, die mir auf der
Zunge lagen, zusammen mit meiner Wut herunter. Weil ich nicht glauben konnte,
dass ich mich so in Judith getäuscht haben sollte. Gut, sie war
perfektionistisch, pedantisch und überkorrekt. Aber gerade in den letzten
Wochen ihres Praktikums hatte sie doch mehr menschliche Seiten gezeigt, als ich
ihr anfänglich zugetraut hatte. Sollte Sauerbier es wirklich geschafft haben,
diesen hoffnungsvollen Ansatz wieder im Keim zu ersticken? »In Ordnung«, sagte
ich stattdessen und bemühte mich um einen normalen Tonfall. »Dann hast du
sicher nichts dagegen, wenn Sandra und ich jetzt abrücken.« Ich wartete ihre
Antwort nicht ab, sondern drehte mich um und ging zum Wagen, in dem Sandra
bereits auf mich wartete. Innerlich kochte ich und war, wenn ich ehrlich zu mir
selbst sein wollte, beleidigt. Das konnten sie haben. Polizeihauptkommissarin
Ina Weinz würde in diesem Mordfall, wenn es denn einer war, keinen Handschlag
zur Aufklärung beitragen, sondern sich ausschließlich um ihre Angelegenheiten
kümmern und damit auch sofort anfangen.
»Es ging halt nicht
früher«, blaffte ich Steffen durch das Telefon an. »Natürlich hat sie mir
Bescheid gesagt. Ich kann aber nicht alles stehen und liegen lassen und
angesprungen kommen, wenn du rufst.«
»Nicht ich habe dich
angerufen, Ina, sondern das Nationalparkforstamt.«
»Oha. Das Amt kann
telefonieren? Sandra meinte aber, du hättest angerufen, nicht das Amt.«
»Ach Ina, hör auf. Du weißt
doch, wie ich es meine. Es war kein privater Anruf, ich musste dich dienstlich
sprechen.«
»Ich wüsste auch nicht, was
wir beide zurzeit privat miteinander zu bereden hätten«, zickte ich ihn an, und
obwohl ich mir im Klaren darüber war, wie ausgesprochen unfair und
unausstehlich ich gerade zu ihm war, tat es mir gut, meinem Ärger freien Lauf
zu lassen. Jetzt traf es eben Steffen.
Ich hatte Sandra zu Hause
abgesetzt und seitdem erfolglos versucht, Henrike telefonisch zu Hause zu
erreichen. Das hatte meine seit Judiths Abfuhr ohnehin schon schlechte Laune
nicht gerade angehoben. Außerdem vermied ich es seit unserer Trennung vor ein
paar Monaten, ihm zu häufig über den Weg zu laufen. Ich wollte mich nicht jedes
Mal daran erinnern müssen, wie ich mich ihm gegenüber verhalten hatte, und das,
obwohl ich es war, die ein Problem mit unserer Beziehung gehabt hatte, nicht
Steffen. Auch wenn mir mein Verstand sagte, dass es nicht um eine Schuldfrage,
sondern um
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