Eifler Zorn
Stehen die
letzten Befehle ein, während sie mit der anderen Hand nach dem Rucksack
hangelte.
»Keine Hektik. Mach mal ganz
in Ruhe zu Ende. Dich brauche ich da jetzt nicht. Du kannst deine Sache weiter
vorantreiben«, erwiderte Sauerbier beiläufig.
»Bitte?« Judith gefror in
der Bewegung. »Was soll das heißen ›meine Sachen weiter vorantreiben‹? Ist
Bianca Frieses Festnahme nicht meine Sache?«
»Nein. Das kann ich
wunderbar mit einem Kollegen hier aus der Wache erledigen, während du uns mit
Fakten zu unserer Fettwachsleiche versorgst. Oder hast du da schon etwas
vorliegen?«
»Nein, nur ein paar Ansätze,
was die Geschichte des Hauses angeht, weil ich dachte, damit kämen wir …«
»Siehst du. Teamarbeit«,
unterbrach er sie. »Wunderbar. Wenn die beiden Fälle zusammenhängen, müssen wir
darüber unbedingt mehr wissen. Grab dich da mal rein.« Sauerbier ging zur Tür
und legte seine Hand auf die Klinke. »Ich halte dich auf dem Laufenden und
erwarte das von dir im Gegenzug auch.« Weg war er.
Mit offenem Mund schaute
Judith ihm nach, bevor sie ihrem Ärger Luft machte, indem sie mit der flachen
Hand auf den Tisch schlug. »Verdammter Mist! Was bildet der Kerl sich ein?«
Kurz überlegte sie, ob sie
aufspringen, ihm hinterherrennen und ihm ihre ganz persönlichen Ansichten über
eine gute Teamarbeit erklären sollte, ließ es dann aber doch sein. Nicht mehr
manipulieren lassen. So lautete der Vorsatz. Dass er sie nicht dabeihaben
wollte, hatte den unschätzbaren Vorteil, dass auch sie ihn nicht mitnehmen
musste. Sie war frei in ihrem Handeln, und das kam ihr sehr gelegen. Gut. Wie
die Sache nun am besten angehen? Die Internetrecherche gestern Abend hatte sie
nicht wesentlich weitergebracht. Sie schlug die Akte auf und wählte die Nummer
der Stadt Schleiden. Diesmal erreichte sie den Sachbearbeiter, aber mehr
Auskünfte, als sie online in dem Zeitungsartikel gefunden hatte, konnte der ihr
auch nicht geben: Der Komplex hatte sich im städtischen Besitz befunden, war
als kostengünstiger Mietraum angeboten worden und hatte als
Asylbewerberunterkunft gedient.
»Die Akten?«
»Hab ich für Sie zur Seite
gelegt. Die helfen Ihnen dann aber vermutlich auch nicht weiter. Aus denen
hatte ich ja damals die Informationen für den Journalisten.«
»Was ist mit dem Archiv? Hab
ich da eine Chance?«
Der Sachbearbeiter lachte
trocken. »Wenn Sie viel Zeit mitbringen.«
»Es gibt also keine
Alternative, mehr über das Gebäude zu erfahren?«
»Die Stadt hat das Gebäude
nach dem Zweiten Weltkrieg übernommen. Es gibt aber keine Mieterlisten oder
Ähnliches mehr. Das ist wohl der Zeit damals geschuldet …«
»Und davor? Vor 1950? In dem
Artikel stand, das Anwesen sei 1892 errichtet worden.«
»Vielleicht gibt es jemanden
im Ort, der sich erinnern kann«, erwiderte er.
»Haben Sie einen Namen?«
»Nein. Aber die Zeitspanne,
für die Sie Auskünfte suchen, liegt ja nun schon etwas länger zurück. Da werden
sich nicht mehr viele dran erinnern.«
Judith stockte. »Danke«,
erwiderte sie, »mir ist gerade etwas eingefallen. Ich glaube, ich komme ohne
Sie weiter.«
»Ina hatte mich auch
schon darum gebeten, mich einmal umzuhören. Ich habe jemanden gefunden: einen
Sangesbruder von mir, ehemaliger Geschichtslehrer. Wohnt auf dem Salzberg. Der
weiß alles, was man über die Gemünder Geschichte so wissen kann, und kennt auch
im Archiv jede Ecke«, beantwortete Hermann Stein ihre Frage, ohne zu zögern.
»Können Sie mir seinen Namen
und seine Telefonnummer sagen?«, fragte Judith und zog mit spitzen Fingern
einen Stift aus dem Becher neben dem Bildschirm. Sie kritzelte Ringe auf die
Ecke der Akte, aber der Stift hinterließ nur Riefen im Papier.
»Also, die Nummer ist 02444
für Gemünd und dann …«
»Warten Sie.« Judith nahm
einen weiteren Kugelschreiber, probierte ihn aus und griff, als er ebenfalls
nicht funktionierte, nach einem Bleistift. Hermann Stein nannte die Nummer des
Anschlusses und den Namen.
»Sagen Sie Ina, sie könnte
sich ruhig mal melden. Ich hab versucht sie anzurufen, weil ich ihr die
Information geben wollte, aber bekomme sie nirgendwo. Wissen Sie vielleicht, wo
meine Tochter ist?«
»Nein, tut mir leid. Ich
habe keine Ahnung. Aber wenn ich mit ihr spreche, richte ich es ihr aus.«
»Bitte sagen Sie auch meinem
Sangesbruder einen schönen Gruß von mir.«
Judith versprach, die Grüße
umgehend auszurichten, und bedankte sich. Sie beendete das Gespräch und wählte
die Nummer,
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