Eifler Zorn
ihre Mutter
plötzlich hinter ihr gestanden hat und ihren Arm festgehalten hat, weiß sie
noch. Aber es war zu spät. Er war tot. Sie hat es an seinen Augen gesehen. Sandra
hat sie weggebracht, auf ihr Zimmer.«
»Wann hat sie es dir
erzählt?«
»Am nächsten Tag. Ich wollte
sie besuchen. Es ging ihr doch so schlecht morgens in der Schule.« Sie
verstummte. Ich spürte, dass sie weinte, und wartete. Warum hatte sie mir
nichts davon erzählt? »Ich bin von ihr weg zum Bach und musste erst mal
nachdenken. Das war alles so heftig«, beantwortete sie meine unausgesprochene
Frage. »Aber ich konnte sie doch nicht allein lassen! Ich wollte sie überreden,
alles zu sagen, aber als ich wieder bei ihr ankam, hat Sandra mich in den
Keller gesperrt.« Ich nahm sie fester in den Arm. »Ich habe mich erst getraut
abzuhauen, nachdem ich Sandra mit dem Auto habe fortfahren hören. Ich wollte
noch mal mit Luisa reden, aber sie war weg. Da hab ich Angst um sie bekommen
und sie gesucht.« Ich nickte stumm und spürte ihren Scheitel unter meinem Kinn.
»Wird sie bestraft werden, Ina? Ich meine, sie wollte sich umbringen. Ist das
nicht Strafe genug?«
»Wir werden es untersuchen
müssen. Aber sie ist erst vierzehn Jahre alt.« Ich überlegte, was wäre, wenn
Sandra durchkommen und auf ihrer Aussage, sie habe ihren Mann umgebracht,
beharren würde. »Ich weiß es nicht, Kind«, murmelte ich, »ich weiß es nicht,
Kind.« Ich zog sie an mich, in die Wärme der Decke, und spürte, wie ihr Zittern
langsam verebbte.
Nachwort und Danksagung
In meinen Lesungen
erzähle ich darüber, wie ich auf die Ideen zu meinen Kurzgeschichten und
Romanen komme. Manchmal sind es besondere Situationen, die ich erlebe,
Begegnungen oder auch, wie im Fall des zweiten Bandes der Ina-Weinz-Reihe,
»Luftkurmord«, ein altes Fotoalbum aus Familienbeständen.
Die Idee für »Eifler Zorn«
erwischte mich im sprichwörtlichen Vorbeigehen, genauer gesagt im Vorbeifahren
an einer Abrissbaustelle an der Kölner Straße in Gemünd. Das Gebäude, das
»Anwesen«, dem da zu Leibe gerückt wurde, hatte mich schon als Kind wegen
seiner düsteren Atmosphäre fasziniert. Hier finden sie jetzt eine Leiche in den
Kellergewölben, dachte ich und beeilte mich, nach Hause zu gelangen, um mehr über
das Haus und seine Geschichte herauszufinden, als ich bisher vom Hörensagen
wusste. Was ich schließlich entdeckte, verschlug mir die Sprache und führte
dazu, dass der Roman in der vorliegenden Form entstanden ist: Ein
Reichstagsprotokoll aus dem Jahr 1910, das die herrschenden Missstände in dem
Erziehungsheim aufzeigt, das damals in dem Gebäude untergebracht war. Schwerste
Misshandlungen, die das zu dieser Zeit »übliche« Maß bei Weitem überschritten,
waren an der Tagesordnung.
Wer dieses Protokoll selbst
lesen möchte, findet es im Internet unter folgender Adresse:
www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k12_bsb00003323_00187.html .
Der historische
Handlungsstrang um die beiden Jungen Paul Weber und Ludwig Ehrenscheid
inklusive aller auftretenden Personen ist frei erfunden, orientiert sich aber
stark an den sozialen Gegebenheiten um die Zeit der Jahrhundertwende.
Produktionsmethoden in der Textilindustrie, politische Verhältnisse und die
Praxis der damals gängigen Pädagogik habe ich, soweit es die Fiktion zuließ, berücksichtigt
und verwendet.
Der Fledermausstollen bei
Erkensruhr, in dem Ina und Sandra verschüttet werden, ist ein sehr lohnendes
Ausflugsziel im Nationalpark Eifel. Allerdings ist er nie, wie im Roman,
eingestürzt und zum Schutz der Fledermäuse auch nicht zu betreten. Wer die
Schauplätze in Hirschrott selbst einmal unter die Lupe nehmen möchte, dem sei
diese ausgeschilderte Wanderroute zum Thema »Schieferbrüche und Fledermäuse«
empfohlen:
www.nationalpark-eifel.de/go/eifel-detail/german/
Auf_eigene_Faust/Markierte_Rundwege/
695_schieferbrueche_und_fledermaeuse_themen_tour_3.html
Wie bei jedem meiner
Bücher eröffnete mir die Recherche zu den einzelnen Themen neue Wissensfelder,
und ich bin sehr froh und dankbar, dass mir auch bei der Arbeit an diesem Band Fachleute,
Experten und Testleser geduldig Rede und Antwort standen. Alle Fehler, die sich
trotz der fachlichen Unterstützung in den einzelnen Bereichen vielleicht
eingeschlichen haben, sind allein der Dramaturgie und/oder mir zuzuordnen.
Ein herzlicher Dank an …
… Rudolf Gehrke,
Gemünd, für die Informationen zur Geschichte des »Anwesens«, den freundlichen
Empfang in
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