Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Abschluss an zwei Universitäten â eine davon ist Oxford.«
»Und damit geht er bei dir hausieren? Was für ein Snob«, murmele ich. Ich kann ihn mir gut auf so einer Elite-Uni vorstellen: gestreifte Krawatten, Ruderclubs und homoerotische Männertreffs in der Umkleidekabine. Ist doch der reinste Inzest, der zwischen den ganzen Reichen und Aristokraten abläuft. Und dann auch noch GroÃbritannien: Sind in Oxford überhaupt schon Frauen zugelassen? Und wieso dürfen da deutsche Studenten hin?
»Du bist echt voreingenommen«, sagt Toni genervt. »Er hat mir das selbstverständlich nicht erzählt, sondern ich habe es bei meinen Recherchen zum Verlagsjubiläum erfahren.«
Alexanders Rede ist viel humorvoller und warmherziger, als ich es ihm zugetraut hätte. Ich bleibe nur deswegen stur, weil ich nicht zugeben will, dass mich das diffuse Gefühl überkommt, ich hätte mich tatsächlich in etwas verrannt. Das Dumme ist nur, wenn man erst mal anfängt zu rennen, ist es sehr schwer, wieder zu stoppen.
A m Ende der Rede gesellt sich die Freundin von Alexander zu uns. »Na, hat es Ihnen gefallen?«, fragt sie und knufft mir gespielt jovial in die Seite.
Eine so freundschaftliche Geste passt nicht zu dieser durchgestylten Gazelle. Sie hat damit ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt, und leider ist ihre Mission geglückt: Ich lasse bei dem ruckartigen Stoà ein Hackbällchen voller Ketchup von meiner Gabel aufs Kleid fallen.
»ScheiÃe«, entfährt es Toni passend.
Ich selbst erstarre vor Schreck. In dem Kleid wollte ich am nächsten Tag eigentlich noch Rafael beeindrucken. Der Abend ist für mich gelaufen.
»Tut mir so leid«, quietscht das Miststück und verschlimmert die Fleckensituation mit hastigen Serviettenbewegungen noch ein wenig.
»Alles in Ordnung?«, fragt Alexander, der gerade zu uns stöÃt.
»Da hat sich deine Bekannte doch tatsächlich ein Hackbällchen aufs schöne Kleid fallen lassen«, antwortet seine Freundin und schüttelt kokett grinsend den Kopf.
Es stört mich, vor Alexander wie ein ungeschickter Tölpel
dazustehen. Aber ich kann mich wohl kaum auf ein Ketchup-Catchen mit seiner Freundin einlassen. Dabei hätte ich ihre sorgfältig geglätteten Haare nur zu gerne einmal ordentlich durch die rote Tunke gezogen.
»Na, da konnte das Rindvieh in der Bulette diesem Kleid nicht mal widerstehen, nachdem man es schon durch die Mangel gedreht hatte«, sagt er und zwinkert mir zu. Dann greift er in die Tasche seines Jacketts nach seinem Einstecktuch  â er hat tatsächlich ein Einstecktuch â, und statt den Fehler seiner Freundin zu wiederholen, tupft er nur ganz vorsichtig auf dem Fleck herum.
Das perfekte Biest schnaubt sehr undamenhaft.
Und ich bin peinlich berührt, weil ich durch den dünnen Stoff des Kleides ganz in der Nähe des Dekolletees seine warmen Fingerkuppen spüre und anfange, ein wenig zu zittern. Das hat aber nichts zu bedeuten, man kann schon mal nervös werden, wenn fremde Männerhände einem so nahe kommen.
»Ich habe alles, was ich brauche. Lass uns gehen«, sagt Toni, die offenbar das Unbehagen in meinen Augen erkannt hat.
»Vielen Dank für die Einladung, Alexander«, sagt Toni.
»Tschüss«, murmele ich.
»Tschüss, schön, dass Ihr da wart«, sagt er so freundlich, dass ich ein schlechtes Gewissen wegen all meiner bösen Worte über ihn bekomme.
I ch denke den Rest des Abends über Alexander und seine Freundin nach. Er scheint doch ein ziemlich intelligenter und netter Typ zu sein. Immerhin konnte er über meine Tollpatschigkeit lachen. Seine Freundin allerdings ist ein Problem. Trotz ihrer überzeugenden Primärreize macht sie eher einen humorlosen, verbiesterten Eindruck. Und wenn sogar vernünftige Männer wie Alexander (habe inzwischen groÃmütig beschlossen, ihn in diese Kategorie aufzunehmen) auf Frauen wie Stephanie abfahren (den Namen des Biests habe ich inzwischen von Toni erfahren), wo gibt es dann Hoffnung für Normalsterbliche wie uns? Lieber nicht darüber nachdenken. Statt überflüssige Gedankenarbeit bezüglich Models und ihrer Anbeter zu leisten, lieber noch ein paar positive Gedanken zum Treffen mit Rafael fassen.
Am nächsten Morgen weckt mich das Telefon. Ich weià schon, bevor ich abnehme, dass meine Mutter am anderen Ende der Leitung lauert. Das
Weitere Kostenlose Bücher