Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Warum hast du nichts gesagt am Telefon?«
»Ich dachte, du gehst vielleicht nicht ran, wenn du meine Nummer siehst. AuÃerdem sollte man manche Dinge lieber persönlich besprechen.«
»Setz dich doch«, sage ich. Ich rücke extra weit ans äuÃere Ende des Sofas, damit er genügend Platz hat und sich nicht womöglich belästigt fühlt.
Er setzt sich hin.
Wir sind uns trotz meiner VorsichtsmaÃnahme so nah, dass ich nicht wage, ihn anzugucken, weil ich Angst habe, dass ich dann wahlweise einfach über ihn herfallen, wieder losheulen oder einfach nur in seinen Schoà kotzen würde. Mir ist speiübel vor Aufregung. Wieso sagt er denn nichts?
»Ich habe dein Buch gelesen«, sagt er dann zögernd.
»Jetzt erst?«, entfährt es mir. »Aber ich habe es doch schon vor Wochen an dich geschickt.«
»Es trudeln jeden Tag so viele Manuskripte ein. Die meisten bekomme ich gar nicht zu sehen, die werden gleich ans Lektorat weitergeleitet. Aber nach der Szene im Flur habe ich mit Frau Krokowski gesprochen und mir das Manuskript geben lassen. Julia Sonne â wie einfallsreich«, spöttelt er sanft. Er findet mich und meinen verzweifelten Versuch, ihn zurückzugewinnen, also dumm. Andererseits sitzt er hier neben mir auf meinem Sofa. Ich halte die Anspannung nicht mehr aus, spüre, wie der Druck durch meine Augen entweichen will â in Form eines Tränenschwalls. Alexander flieht nicht, er legt mir nur vorsichtig die Hand auf die Schulter. »Nicht weinen«, bittet er.
»Ich kann nicht anders«, stöhne ich. Dann packt mich das blanke Entsetzen. »Hast du Frau Krokowski erzählt, dass �«
»Nein, natürlich nicht. Für wen hältst du mich? Aber sie hat Recht, die Geschichte braucht noch ein vernünftiges Ende.«
»Ich habe sie eigentlich nur für dich geschrieben.«
Er schweigt verlegen.
»Ich glaube, das ist das Aufregendste, was jemals jemand für mich gemacht hat. Und ich finde es wirklich witzig. Wir sollten es veröffentlichen«, sagt er dann.
»Witzig?«
Er beiÃt sich auf die Lippen. »Na ja, natürlich nicht alles.«
»Mir fällt aber kein Ende ein«, hauche ich und sehe ihm zum ersten Mal direkt in die Augen. Eindeutig ein Fehler. Wie konnte ich nur denken, dunkle Augen seien ausdruckslos.
Sein Blick durchfährt mich und macht mich ganz schwach.
»Ich hätte da eine Idee«, sagt er und lächelt.
Und dann küsst er mich. Ich schluchze gleich wieder los, und wir sind beide zu erschöpft, um den Teil mit der leidenschaftlichen Versöhnung noch hinzubekommen. Wir liegen uns einfach in den Armen und küssen uns und erzählen uns gegenseitig, wie albern wir uns verhalten haben. Er erzählt mir, dass ihn einmal eine Frau mit Rafael betrogen habe und ihm seither Lügen in Kombination mit Rafael tierisch an die Nieren gingen. Er wisse auch gar nicht, warum er ihm nicht längst die Freundschaft gekündigt habe. Aber Freunde aus Kindheitszeiten gebe man nicht so schnell auf.
»Ich werde dich nie wieder belügen«, verspreche ich. Er lacht. »Versprich nichts, was du nicht halten kannst. Aber versuche, es auf Unwichtiges zu beschränken. Belüg mich, was den Preis deiner Kleidung oder dein Gewicht betrifft, aber nie, was deine Gefühle zu mir angeht.«
Er nimmt mich wieder in die Arme, und dann sagt er: »Ich liebe dich.«
Ich ziehe seinen Kopf auf meinen SchoÃ, streichele durch sein Haar, zwinkere vergnügt dem kleinen Götzen auf dem Tisch zu und wiederhole ungefähr hunderttausendmal die schönsten drei Worte der Welt.
1. Auflage
Originalausgabe März 2012
Copyright © 2012 by Wilhelm Goldmann Verlag,
München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur
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Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: © plainpicture / Brooke Fasani;
© FinePic, München
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eISBN: 978-3-641-08647-3
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