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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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Dummes gesagt. Genaugenommen habe ich fast gar nichts gesagt, und nur seinen wahnsinnig intelligenten Monologen über die Wirkkraft der Poesie gelauscht. Zumindest bei ihm kann ich die Frau sein, die ich sein will: unwiderstehlich, geheimnisvoll, attraktiv.
    Sorgen bereitet mir nur, dass es immer so ein Aufwand ist, unwiderstehlich, geheimnisvoll und attraktiv zu sein. Heißt das, ich muss mich nun für den Rest meines gemeinsamen Lebens mit ihm verstellen, um mein verborgenes, souveränes Ich an die Oberfläche zu zerren? Nein, irgendwann wird sich mein Inneres meinem Äußeren anpassen und seine wahre Strahlkraft offenbaren.
    Â»Na ja, du gehst ja heute zu seiner Lesung. Wenn dich seine
Meinung zur Finanzkrise so brennend interessiert, sprich ihn doch einfach darauf an«, entgegne ich Diana gelassen.
    Wegen der blöden Lesung können wir uns heute Abend nicht sehen. Für mich macht es ja nun keinen Sinn mehr, da überraschend aufzutauchen, um ihn dann um den Finger zu wickeln. Ich habe Besseres zu tun. Beispielsweise gespannt darauf zu warten, dass sich Toni und Picard irgendwie verraten und damit Diana in den Nervenzusammenbruch treiben. Passiert aber nicht. Ich vermute dennoch, dass sich das frischgebackene Pärchen pausenlos E-Mails schickt: Im Minutentakt grinsen sie abwechselnd schamlos verzückt.
    Und endlich bekomme auch ich eine E-Mail von Rafael, die eindeutig beweist, dass ich keine alleinstehende Frau und damit kein wehrloses, potenzielles Opfer von Gewalttaten mehr bin:
    Â»Morgen ein kleines Essen bei mir. Hast du Lust zu kommen?«
    Er will mich also seinen Freunden vorstellen. Na bitte, besser kann man doch ernsthafte Absichten gar nicht demonstrieren.

    A rgh. Hamburg ist vielleicht den Zahlen nach so etwas wie eine Großstadt – aber trotzdem viel zu klein. Jeder, mit dem man zu tun hat, kennt jeden, mit dem man noch zu tun haben wird. Im Grunde hätte ich wie meine Schwester bei meinen Eltern in unserem piefigen Provinznest bleiben können. Rafaels Freunde entpuppen sich als Alexander und Stephanie, was alle ein wenig in Verlegenheit bringt – außer
natürlich Rafael. Alexander verlegt offenbar Rafaels Bücher und hat einen Hund mitgebracht, einen sehr süßen Labrador. »Entschuldigung, ich habe niemanden gefunden, bei dem ich ihn abgeben kann.«
    Das entzückende Tier frisst Stephanie aus den Händen, für mich interessiert es sich eher nicht. Das kränkt mich. Dabei geht es mir nicht so sehr um die Nähe zum Hund, sondern um das, wofür sie steht: dass man eine absolut vertrauenswürdige, liebenswerte Person ist, der Hunde, Katzen und Kleinkinder schwanzwedelnd zulaufen.
    Rafael kocht natürlich nicht selbst. Er hat einen Delikatessen-Lieferservice bemüht, und die Häppchen nur schnell auf ein paar Teller mit Versace-Dekor geworfen. Stephanie lobt das knallbunte Muster enthusiastisch als »irre geschmackvoll«. Ich behalte mal lieber für mich, dass ich eigentlich reinweißes Geschirr bevorzuge. Schlimm genug, dass ich der Diskussion am Tisch überhaupt nicht folgen kann. Es geht irgendwie um die staatliche Förderung von Kultur, die vor allem Stephanie und Rafael für äußerst unzulänglich halten. Über das Thema habe ich noch nicht so richtig nachgedacht, weil ich mich überwiegend der Fernseh- und Zeitschriftenkultur widme. Die sind – als missratene Kinder und Nährboden des Kapitalismus – eher nicht auf staatliche Förderung angewiesen.
    Â»Die Leute wollen ja auch mehr Kindergärten, bessere Schulen, eine höhere Rente und medizinische Leistungen. Wo soll denn das ganze Geld herkommen? Vielleicht spart man da wirklich lieber an Theatern, wenn doch niemand die Stücke sehen will, die da gespielt werden«, wende ich vorsichtig ein.

    Stephanie zischt boshaft, Rafael grinst fast schon mitleidig, und Alexanders Miene ist mal wieder undeutbar.
    Stephanie erklärt mir gaaanz langsam, damit ich es auch ja kapiere, dass es genau darum gehe: die Kultur zu schützen, die keiner freiwillig sehen wolle. Kultur brauche Freiheit. Sobald sie massenwirksam werde, sei sie wertlos. Und die innovativen (wenngleich von niemandem wahrgenommenen, aber ich halte lieber meine Klappe) Ideen nicht zu schützen, führe zu gefährlicher Kulturlosigkeit und damit dann direkt zum Nationalsozialismus.
    Â»Aber es wird doch nicht jeder, der bei Picasso nur an schiefe

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