Eigentlich bin ich eine Traumfrau
kuscheln.
S elbst das Leben meiner Mutter ist aufregender als meins.
Ich höre trotzdem nur halb zu, das Telefon zwischen
Schulter und Ohr geklemmt, während ich weitertippe. Ich spüre, dass ich auf der Endgeraden angekommen bin.
»Wer wurde überfallen?«, muss ich deshalb mehrmals nachfragen.
»Na, Arasch, mein iranischer Gemüsehändler. Der hat einfach die besten Aprikosen weit und breit. Kauf bloà niemals die französischen, die schmecken nach gar nichts.«
Soweit ich es bei ihren vielen Abschweifungen richtig mitbekomme, wurde der Gemüseladen offenbar von einem finsteren Typen mit Hockeyschläger gestürmt. Arasch hat dem Dieb nun aber nicht etwa den Inhalt seiner Kasse zitternd in die aufgehaltene Pranke gedrückt, sondern seine nicht geladene Pistole gezückt.
»Wieso hat der überhaupt eine Pistole? Braucht man dafür nicht einen Waffenschein?«
»Ist doch egal. Auf jeden Fall ist der Verbrecher heulend in die Knie gegangen und hat erzählt, dass er seine hungernde Familie einfach nicht mehr versorgen kann. Und weiÃt du, was Arasch dann gemacht hat?«
»Nein, Mama, keine Ahnung.«
»Er hat dem Mann zwanzig Euro, Brot, Käse und Milch in eine Tüte gepackt und mitgegeben. Das hat den Dieb so fertiggemacht, dass er hoch und heilig versprochen hat, ebenfalls zum Islam zu konvertieren.« Mama kann sich vor Lachen nicht halten. Während ich noch darüber nachdenke, was passieren würde, wenn dieses Beispiel Schule machte und alle Verbrecher reumütig konvertierten, hat sich meine Mutter schon längst wieder spannenderen Fragen zugewandt.
»Irinas Küchenschubladen öffnen sich wie von Zauberhand,
seit sie diese neuen Beschläge hat. Man muss sie nur noch antippen. Ist das nicht toll? Wenn Irina mir endlich verrät, wo es diese Beschläge gibt, kaufe ich dir auch gleich welche.«
I ch habe es geschafft. Ich fasse es nicht. Ein komisches Gefühl, das unscheinbare Manuskript in den Händen zu halten. Es stecken so viele Hoffnungen und Gefühle darin. Dabei ist es am Ende doch nichts anderes als Druckertinte auf weiÃem Papier.
Ich adressiere es an Alexander Grünbaum und unterschreibe mit meinem gewählten Pseudonym Julia Sonne.
Als ich das Päckchen in den Briefkasten geworfen habe, überkommt mich bei aller Erschöpfung ein Hochgefühl. Ich fühle mich, als hätte ich die Bewerbung für meinen Traumjob abgeschickt. Es liegt nicht mehr in meiner Hand, aber ich habe alles versucht und damit den Raum für ungeahnte, neue Möglichkeiten eröffnet. Jetzt kann etwas Wunderbares geschehen â etwas, das mich endgültig aus der Lethargie der mit blöden Artikeln und ohne Liebe verbrachten Tage rettet.
Ich bin so aufgedreht, dass ich unvorsichtig werde. Als ich André auf dem Flur begegne, sage ich doch glatt »Ja, Ja«, obwohl ich nur an der Sprachmelodie erkannt habe, dass er gerade eine Frage gestellt hat. Als er sich für seine Verhältnisse überschwänglich freut â der linke Mundwinkel zuckt leicht â ahne ich, dass ich einen kolossalen Fehler begangen habe. Er kann doch nicht so dreist gewesen sein, mich schon wieder zum Abendessen einzuladen?
»Das freut mich, Juli. Ich dachte, wenn du schon keine Abendverabredung möchtest, ist Minigolf am Nachmittag sicher eine gute Alternative.«
Nein. Nein! Dass kann nicht sein Ernst sein. Jetzt habe ich keine Wahl mehr. Es wundert mich gar nicht, dass er darauf beharrt, sofort einen exakten Termin festzulegen. Ich entscheide mich für den letzten Sonntag im Monat. Vielleicht schlägt bis dahin das Wetter um. Im Dauerregen kann man ja wohl nicht auf den Minigolfplatz gehen.
E s bringt eben doch immer nur kurzfristige Erleichterung, einen Termin möglichst weit nach hinten zu schieben. Irgendwann steht er einem dann doch umso quälender bevor.
Selbst schuld. Ich habe mich nun einmal breitschlagen lassen. Warum auch nicht? Minigolf liegt offenbar im Trend. Der Platz im Volkspark ist proppevoll. Wahrscheinlich macht das Spiel sogar richtig viel SpaÃ. Ãberall höre ich kreischendes Gelächter. Warum ist mir das bislang entgangen? Ich muss unbedingt noch mal mit Toni, Tanja und Peter hierherkommen. Es ist auch so viel effizienter und weniger snobistisch als echtes Golf. Eigentlich entspricht eine Minigolf-Station ja dem letzten Schlag beim Golf, dem Schlag ins Zielloch. Man muss
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