Eigentlich bin ich eine Traumfrau
wie meinem, der Kontrast
lässt sie aber auf herbe Weise attraktiv aussehen. Ihr dunkelrot gefärbtes Haar trägt sie offen. Am auffälligsten ist ihr schmerzhaft fester Händedruck.
Ich bleibe stehen, weil ich darauf warte, dass sie im Feldwebelton »Setzen« ruft. Tut sie aber nicht. Sie sitzt schon wieder auf ihrem Platz und blättert durch meine Unterlagen. Ich lasse mich ihr gegenüber auf einen Stuhl fallen.
»Da sind sehr viele gute Ansätze drin«, sagt sie.
Gute Ansätze! Am Telefon hat es so geklungen, als hätte ich ein druckreifes Werk vorgelegt. Nun hört es sich eher so an, als würde alles, was nicht zu den »guten Ansätzen« gehört, in mühseliger Kleinstarbeit überarbeitet werden müssen. Die Energie bringe ich niemals auf. Und eigentlich will ich doch nur Alexander zurück. Ich sehe es schon kommen: Am Ende würde ich weder ein Buch veröffentlicht haben noch Alexander in meinen Armen halten. Stattdessen würde ich schlecht bezahlte Kinokritiken und Artikel über die Einstellung von Cellisten zur taiwanesischen Innenpolitik bezüglich Verhütungsmitteln oder Ãhnlichem schreiben müssen.
»Aber einiges ist mir noch unklar. Das sollten Sie noch ein wenig herausarbeiten.«
Ich sehe sie fragend an.
»Na ja, Ihre Protagonistin macht ja insgesamt eher einen unreifen Eindruck. Ich verstehe nicht, warum gleich zwei erfolgreiche, attraktive Männer sich nacheinander in sie verlieben sollten.«
Aua. Das tut weh, aber richtig. Obwohl sie ja im Prinzip Recht hat. Ich überlege fieberhaft.
»Na ja, ich denke mir mal, dass die Leserinnen auch nicht
perfekt sind und sich eher mit einer Durchschnittsfrau identifizieren. AuÃerdem ist es doch im Prinzip der gute, alte Aschenputtel-Effekt. Nur, dass Aschenputtel ja inzwischen völlig überholt ist. Heute wollen die Frauen Männer, die sie so lieben wie sie sind und nicht dafür, dass sie bereit sind, sich in ein Idealbild, also in gläserne Pantoffel pressen zu lassen. Deshalb ist der Makel des postmodernen Aschenputtels nicht mehr die materielle Armut, sondern das Gefühl der Unzulänglichkeit, das sie ständig begleitet.«
Ich stammele noch weiter vor mich hin, derweil ich mich frage, ob die vielen Semester Literaturwissenschaft überhaupt für etwas gut gewesen sind.
»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagt sie.
Echt? Nicht einmal ich weiÃ, was ich da rede.
Sie denkt nach. »Ich glaube, das kriegen wir hin â mit einem kleinen Dreh hier oder da«, behauptet sie dann.
»Aber um eines kommen wir nicht herum. Sie brauchen ein vernünftiges Ende für ihren Roman. Am Ende bricht Ihre Figur zu einer Reise mit ungewissem Ausgang auf. Dieses Selbstfindungsding funktioniert nicht in der leichten Frauenliteratur. Wir brauchen ein Happy End. Also muss sich Ihre Figur schon irgendetwas einfallen lassen, damit Ihr Held sie am Ende doch noch in seine starken Arme reiÃt.«
Meine groÃe Lebenstragödie sollte nichts weiter sein als leichte Frauenliteratur? Frau Krokowski zwinkert mir zu. Macht sie sich über mich lustig? Weià sie am Ende gar Bescheid, und hat Alexander das alles eingefädelt, um mich endgültig zu demütigen?
Ich schwitze.
Ich werde knallrot vor Scham.
»Alles in Ordnung? Möchten Sie etwas trinken oder so?«, fragt meine Peinigerin mich fast ein wenig besorgt.
Nein, so hinterhältig wirkt sie eigentlich nicht â und Alexander hat auch nichts Bösartiges an sich. Sie weià nichts, beschlieÃe ich. Vielleicht will er mich einfach nicht zurückhaben, schätzt aber meine literarischen Fähigkeiten so hoch ein, dass er das Manuskript wortlos an jemanden weitergereicht hat, der weniger involviert ist. Ich wage sogar zu fragen: »Danke, alles bestens. Aber haben Sie vielleicht eine Idee für den Schluss?« Ich habe nämlich so langsam keine mehr.
»Na ja, eigentlich muss ja nur das Missverständnis aufgeklärt werden. Und weil Sie bestimmen, was Ihre Figuren denken, könnte sich Ihr Held ja einfach überlegen, Ihrer Hauptfigur zu glauben und ihr zu verzeihen.«
Schade, dass es im wirklichen Leben nicht auch so einfach ist.
»Ja, aber glauben Sie, der Mann, den ich beschrieben habe, würde eine Lüge einfach verzeihen und damit von seinen Prinzipien abrücken?«, frage ich bang.
»Wenn er es nicht tut, wäre er ganz schön dämlich. Und
Weitere Kostenlose Bücher