Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
einem Kristallglas auftauchte. Neben den zerlaufenen Eiern wirkte die Milch allerdings nicht wirklich verlockend.
Lena verzog das Gesicht. »Küche, was ist denn los? Das kann doch nicht wahr sein! Schon wieder?« Ich hörte ein ungehaltenes Klappern aus dem Nebenraum. Lena hatte den geheimnisvollen Koch von Ravenwood, den ich noch nie zu Gesicht bekommen hatte, gegen sich aufgebracht. Sie zuckte die Schultern und sah mich an. »Ich hab’s dir ja gesagt. Hier geht alles drunter und drüber. Und es wird mit jedem Tag schlimmer.«
»Komm, wir holen uns Zuckerschnecken vom Stop & Steal.« Seit ich das rohe Speckfleisch gesehen hatte, war mir der Appetit vergangen.
»Die Küche tut, was sie kann. Im Moment ist sowieso alles schwierig. Letzte Nacht hat Tante Del an meine Tür gehämmert, weil sie überzeugt war, dass die Briten kommen.« Eine vertraute Stimme, das leise Schlurfen von Pantoffeln, ein Stuhl, der weggeschoben wurde – und schon war er da: Macon Ravenwood, im Arm einen Packen gerollter Zeitungen. Er hob eine Teetasse, die mit etwas gefüllt war, was wahrscheinlich Tee sein sollte, aber aussah wie grasgrüne Jauche. Boo kam hinter ihm hergetrottet und rollte sich zu seinen Füßen zusammen.
Lena seufzte. »Ryan weint. Sie will es nicht zugeben, aber sie fürchtet, dass sie nie mehr ihre volle Magie erlangen wird. Und Onkel Barclay hat Probleme beim Gestaltwandeln. Tante Del sagt, er kann nicht einmal mehr ein Stirnrunzeln in ein Lächeln verwandeln.«
Macon hob seine Tasse und nickte in meine Richtung. »Das hat alles Zeit bis nach dem Frühstück. How do you rate the morning sun , Mr Wate?«
»Wie bitte, Sir?« Es klang wie eine Fangfrage.
»Robbie Williams. Ein bekannter Sänger, wenn ich mich nicht irre. Eine hübsche Textzeile – und zurzeit eine sehr berechtigte Frage, wie mir scheint.« Er blickte in seine Teetasse, ehe er einen Schluck daraus trank, dann stellte er sie wieder ab. »Es sollte sozusagen mein Guten-Morgen-Gruß sein.«
»Guten Morgen, Sir.« Ich versuchte, ihn nicht anzustarren. Er trug einen schwarzen Morgenrock aus Satin. Wenigstens hielt ich es für einen Morgenrock, auch wenn ich noch nie einen Morgenrock gesehen hatte, aus dessen Brusttasche ein Einstecktuch herausschaute. Er hatte rein gar nichts mit dem vergammelten karierten Bademantel zu tun, in dem mein Vater immer herumlief.
Macon bemerkte meinen Blick. »Der passende Begriff ist meines Wissens Hausrock . Nun, da viele Tage voller Sonnenschein vor mir liegen, gibt es mehr im Leben, als sich mit der Frage nach passender Kleidung zu beschäftigen.«
»Ähm, ja?«
»Onkel M will damit sagen, dass er gerne in seinem Schlafanzug faulenzt.« Lena drückte Macon einen Kuss auf die Wange. »Wir müssen los oder wir kriegen keine Zuckerschnecken mehr. Wenn du lieb bist, dann bringe ich dir sogar eine mit.«
Macon seufzte. »Hunger ist eine entsetzlich lästige Angelegenheit.«
Lena schnappte sich ihren Rucksack. »Ich interpretiere das als ein Ja.«
Macon hörte ihr nicht mehr zu, sondern strich die erste seiner Zeitungen glatt. »Erdbeben in Paraguay.« Er schlug die nächste auf, die anscheinend auf Französisch war. »Die Seine trocknet aus.« Er blätterte eine weitere auf. »Die Polarkappen schmelzen zehnmal schneller als vorhergesagt – wenn man den Zeitungen in Helsinki glauben darf.« Dann nahm er die vierte Zeitung. »Und die gesamte Südostküste der Vereinigten Staaten scheint von einer seltsamen Plage heimgesucht zu werden.«
Lena faltete seine Zeitungen zusammen; dahinter kam ein Teller Weißbrot zum Vorschein. »Iss. Die Welt wird auch nach dem Frühstück noch am Rande des Abgrunds stehen, egal ob du nun im Hausrock bist oder nicht.«
Macons düsterer Gesichtsausdruck hellte sich ein wenig auf, und seine grünen Einst-Inkubus-jetzt-Lichter-Caster-Augen funkelten noch etwas mehr, als Lena ihn berührte. Sie schenkte ihm ein Lächeln, das nur für ihn reserviert war. Ein Lächeln, das ihm zu verstehen gab, dass sie jede Minute ihres gemeinsamen Lebens in Erinnerung behalten hatte. Sie wussten, was sie aneinander hatten. Seit Macon im wahrsten Sinne des Wortes von den Toten zu ihr zurückgekehrt war, hatte Lena jeden gemeinsamen Augenblick als ein Geschenk betrachtet. Ich beneidete sie darum.
Es war die gleiche Vertrautheit, die ich mit meiner Mutter erlebt hatte – und die mir so fehlte. Ich fragte mich, ob ich auch ein spezielles Lächeln für sie gehabt hatte. Ich fragte mich, ob ihr auch bewusst
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