Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
gewesen war, dass ich jedes Detail unserer gemeinsamen Zeit im Gedächtnis behalten würde. Zum Beispiel dass sie alle meine Bücher gelesen hatte, damit wir an unserem alten Eichentisch beim Essen darüber sprechen konnten. Dass sie zuvor viele Stunden in der Blue-Bicycle-Buchhandlung in Charleston verbracht hatte, um die passenden Bücher für mich auszusuchen.
»Lass uns gehen«, drängte Lena. Ich schüttelte die Erinnerungen ab und faltete meine Serviette zusammen. Lena umarmte ihren Onkel flüchtig. »Ridley!«, rief sie die Treppe hoch. Ein unterdrücktes Stöhnen drang aus einem der Schlafzimmer. »Komm sofort runter!«
»Sir.« Ich nahm meinen Rucksack und stand auf.
Macons entspannte Miene war plötzlich wie weggewischt. »Seid vorsichtig da draußen.«
»Ich werde ein Auge auf sie haben.«
»Danke, Mr Wate. Das weiß ich.« Er setzte seine Tasse ab. »Aber geben Sie auch auf sich acht. Alles ist viel schwieriger, als es den Anschein hat.«
Die Stadt war in Aufruhr und wir hatten so ziemlich die ganze Welt ruiniert. Ich konnte mir nicht vorstellen, was noch schwieriger sein könnte.
»Acht geben worauf, Sir?« Hier im Speisezimmer herrschte Ruhe, aber draußen in der Eingangshalle stritten Lena und Gramma mit Ridley.
Macon blickte auf den Stapel Zeitungen und schlug die oberste auf; sie war in einer Sprache geschrieben, die mir fremd war, die ich aber trotzdem irgendwie erkannte.
»Wenn ich das wüsste.«
Nach dem Frühstück in Ravenwood, falls man es denn so nennen konnte, ging der Tag mindestens genauso seltsam weiter. Wir waren spät dran für die Schule, denn als wir Link abholen wollten, hatte seine Mutter ihn gerade dabei erwischt, wie er sein Frühstück im Abfalleimer entsorgt hatte, und ihm prompt ein zweites aufgenötigt. Als wir dann am Stop & Steal vorbeifuhren, saß Fatty, der sonst im Auftrag der Schule gnadenlos alle Schulschwänzer aufspürte, nicht wie gewohnt lauernd in seinem Auto, und in der Backwarenabteilung war sogar noch ein halbes Dutzend Zuckerschnecken übrig. Das waren erste Anzeichen des kommenden Weltuntergangs, so viel stand fest. Aber was noch unglaublicher war: Als wir zwanzig Minuten zu spät in die Schule kamen, saß Miss Hester nicht am Empfangstresen, um uns Nachsitzen aufzubrummen. Ihr Fläschchen mit dunkelrotem Nagellack stand ungeöffnet an ihrem Platz. Es war, als hätte sich die ganze Welt plötzlich um fünf Grad in die falsche Richtung gedreht.
»Heute ist unser Glückstag.« Link reckte die Hand, und wir klatschten uns ab, auch wenn ich den Tag eher mit gespenstisch umschrieben hätte.
Als ich sah, wie Ridley in Richtung Toilette ging, wurde ich in dieser Meinung noch bestätigt. Ich hätte glatt schwören können, dass aus ihr ein normales Mädchen geworden war, das erschreckend normale Mädchenklamotten trug. Und als ich mich auf meinen Platz neben Lena setzte, auf die Seite von Mrs Englishs gutem Auge, befand ich mich unversehens im Niemandsland der Klasse.
Ich saß da, wo ich immer saß. Aber entweder der Raum hatte sich verändert oder Mrs English, denn sie nahm die ganze Stunde über die Schüler auf der falschen Seite in die Mangel.
»›Dies ist eine strenge Zeit, eine genaue Zeit – wir leben nicht mehr in der Dämmerstunde, wo sich das Böse mit dem Guten mischte.‹« Mrs English blickte vom Text auf. »Miss Asher, wie würde Arthur Miller wohl über unsere heutige Zeit urteilen?«
Emily starrte sie entsetzt an. »Ma’am, wollten Sie nicht eigentlich … die anderen fragen?« Sie blickte zu Abby Porter, zu Lena und zu mir herüber, den einzigen Schülern auf der Seite, auf der Mrs English gut sah.
»Ich stelle jedem Fragen, der bei mir nicht durchfallen will, Miss Asher. Und nun antworten Sie bitte.«
Vielleicht hat sie heute Morgen ihr Glasauge auf der falschen Seite eingesetzt .
Lena lächelte, schaute aber nicht von ihrem Blatt auf.
Kann sein .
»Ähm, ich denke, Arthur Miller würde sich darüber freuen, dass wir heute nicht mehr so verkorkst sind.«
Ich schielte auf mein Exemplar von Millers The Crucible . Und während Emily vor sich hinstammelnd die Hexenjagd in dem Stück verurteilte, obwohl sie selbst im vergangenen Jahr etwas ganz Ähnliches gegen Lena inszeniert hatte, starrte mich das Glasauge unentwegt an.
Als würde es mich nicht nur sehen, sondern auch durchschauen.
Nach dem Unterricht schien sich die Lage zu normalisieren. Ethan-Hasserin Emily zischelte etwas, als ich an ihr vorbeiging; in ihrem Schlepptau
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