Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
getan.« Ich musste die ganze Zeit daran denken. Sie war nicht die Einzige, die an dem Faden gezogen hatte, der ganz Gatlin zusammenhielt, sowohl über als auch unter der Oberfläche.
»Ich habe mich selbst berufen.«
»Du musstest es tun und du solltest stolz darauf sein.«
»Das bin ich auch.« Sie zögerte.
»Aber?« Ich sah sie aufmerksam an.
»Ich muss einen Preis dafür bezahlen und ich bin bereit dazu.«
Ich schloss die Augen. »Sprich nicht so.«
»Ich sage nur die Wahrheit.«
»Du rechnest damit, dass etwas Schlimmes passiert«, sagte ich widerwillig, weil ich am liebsten gar nicht darüber nachdenken wollte.
Lena spielte mit den Anhängern an ihrer Halskette. »Es geht nicht um die Frage ob, sondern wann.«
Ich warte – das stand auf dem Schreibblock .
Auf welchem Schreibblock?
Ich wollte nicht mit ihr darüber sprechen, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Und ich konnte auch nicht so tun, als würde alles wieder so werden wie früher.
Alles, was falsch gewesen war, stürzte plötzlich auf mich ein. Der Sommer, Macons Tod, Lena, die sich wie eine Fremde benommen hatte und die mit John Breed weggelaufen war, weg von mir. Und auch alles andere, was passiert war, bevor ich Lena kennengelernt hatte – meine Mutter, die nicht mehr nach Hause gekommen war, ihre Schuhe, die immer noch da standen, wo sie sie zuletzt ausgezogen hatte, ihr Handtuch, das noch feucht vom Morgen gewesen war. Ihre Seite des Betts, die unberührt geblieben war, der Duft ihrer Haare, der immer noch an den Kissen haftete. Die Post, die immer noch an sie adressiert war.
Die Schnelligkeit, mit der das alles geschehen war. Und die Unumkehrbarkeit. Die erbarmungslose Wahrheit – nämlich dass der wichtigste Mensch im Leben plötzlich aufgehört hat zu sein. An schlechten Tagen kam es einem so vor, als wäre sie nie da gewesen, aber an einem guten Tag schlich sich eine ganz andere Angst ein. Denn auch wenn man sich zu hundert Prozent sicher war, dass es diesen Menschen gegeben hatte, war man vielleicht der Einzige, dem es etwas ausmachte oder der sich erinnerte.
Wie kann ein Kissen nach jemandem riechen, der nicht mehr in derselben Welt lebt wie man selbst? Und was soll man tun, wenn eines Tages das Kissen genauso riecht wie jedes andere x-beliebige Kissen auch? Wie bringt man sich dazu, die Schuhe wegzuräumen?
Aber ich hatte es getan. Und ich hatte den Geist meiner Mutter auf dem Bonaventura-Friedhof gesehen. Zum ersten Mal in meinem Leben glaubte ich wirklich, dass etwas mit einem geschah, wenn man starb. Meine Mutter war nicht allein in der Erde des Gartens des Immerwährenden Friedens, wie ich immer gefürchtet hatte. Und deshalb konnte ich sie loslassen. Weil ich ihr trotzdem nahe war.
Ethan, was ist los?
Ich wünschte, ich wüsste es .
»Ich lasse nicht zu, dass dir irgendetwas passiert.« Ich sagte das, obwohl ich wusste, dass ich gar nicht in der Lage war, sie zu beschützen. Ich sagte das, weil mein Herz sich sonst selbst in Stücke reißen würde.
»Ich weiß«, log sie. Sonst sagte Lena nichts, aber sie wusste, was ich fühlte.
Sie zog den Himmel mit den Händen so fest zu sich herab, als wollte sie ihn von der Sonne wegreißen.
Ich hörte ein lautes Krachen.
Ich wusste nicht, wie sie es geschafft hatte und wie lange es andauern würde, aber der blaue Himmel riss auf, und obwohl weit und breit keine Wolke zu sehen war, fiel Regen auf unsere Gesichter.
Ich spürte das nasse Gras und die Regentropfen auf meinen Augen. Sie fühlten sich echt an. Ich zog Lena an mich und nahm ihr Gesicht in meine Hände. Dann küsste ich sie, bis ich nicht mehr der einzige Atemlose war, bis der Boden unter uns wieder trocknete und der Himmel wieder unerbittlich blau war.
Zum Abendessen gab es Ammas preisgekrönte Hühnerfleischpastete. Meine Portion war so groß wie der Teller, um nicht zu sagen so groß wie die Home Plate beim Basketball. Ich stocherte mit meiner Gabel in der Kruste herum, damit der Dampf entwich, und roch den guten Sherry, Ammas Geheimzutat. Sogar die Pasteten hatten in unserer Gegend ihre Geheimnisse – saure Sahne, Sojasoße, Cayennepfeffer oder Parmesankäse. Geheimnisse und Pasteten gehörten bei uns zusammen. Serviere eine Pastete, und die ganze Stadt wird um jeden Preis herausfinden wollen, was sich unter der Kruste verbirgt.
»Ah. Wenn ich das rieche, komme ich mir vor, als wäre ich acht Jahre alt.« Dad lächelte Amma an, die sowohl seine Bemerkung wie auch seine verdächtig gute Laune
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