Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
es gibt eine Verhandlung?«
Marian stellte ihre Teetasse auf den Tisch zwischen uns und schloss die Augen. »Ja. Jedenfalls nennen sie es so. Glaub bloß nicht, dass die Sterblichen die Heuchelei für sich gepachtet haben. Die Welt der Caster ist nicht wirklich demokratisch, wie du vielleicht schon bemerkt hast. Wenn es um die Herrschaft der Gesetze geht, dann zählen Werte wie die Willensfreiheit plötzlich nicht mehr viel.«
»Aber du hattest mit der ganzen Sache doch nichts zu tun. Lena hat die Ordnung der Dinge durcheinandergebracht, nicht du.«
»Ehrlich gesagt gefällt mir deine Sicht auf die Ereignisse auch besser, aber du lebst lange genug in Gatlin, um zu wissen, dass sich Ansichten ganz schnell ändern können. Wie dem auch sei, ich gehe davon aus, dass sie dich in den Zeugenstand laden werden.« Die Falten in Marians Gesicht vertieften sich immer dann zu dunklen Schatten, wenn sie wirklich besorgt war. So wie jetzt.
»Aber du hast dich nicht eingemischt.« Das war ein Punkt, über den wir schon sehr lange stritten. Von dem Moment an, in dem ich erfahren hatte, dass Marian eine Hüterin war – wie auch davor schon meine Mutter –, kannte ich die wichtigste Hauptregel: Was immer auch geschah, Marian musste sich raushalten. Sie beobachtete, bewahrte die Geheimnisse und die Überlieferungen der Caster-Welt und in ihrem Fall auch die Lunae Libri , und sie kannte die Schnittpunkte, an denen sich beide Welten berührten. Aber sie durfte sich nicht einmischen.
Marian schrieb die Geschichte nur auf, sie machte keine.
So lautete die Regel. Ob ihr Herz sich auch an diese Regel halten konnte, stand auf einem ganz anderen Blatt. Liv hatte auf schmerzliche Weise erfahren müssen, dass sie die Regeln nicht befolgen konnte, und hatte jetzt keine Möglichkeit mehr, jemals eine Hüterin zu werden. Ich war mir ziemlich sicher, dass es meiner Mutter genauso ergangen war.
Ich berührte das schwere schwarze Siegel aus Wachs – es war das gleiche Siegel wie das von South Carolina. Ein Caster-Mond, der über einer Palme stand. Als ich die Mondsichel berührte, vernahm ich plötzlich die vertraute Melodie. Ich schloss die Augen und hörte zu.
Eighteen Moons, eighteen Sheers,
Feeding off your deepest fears,
Vexed to find as Darkness nears,
Secret eyes and hidden ears …
»Ethan?«
Ich schlug die Augen auf. Marian hatte sich über mich gebeugt.
»Es ist nichts.«
» Nichts stimmt garantiert nicht. Nicht bei dir, EW .« Sie lächelte mich traurig an.
»Ich habe das Lied gehört.« Ich klopfte mit den Fingern den Takt auf meine Oberschenkel und summte die Melodie.
»Deinen Shadowing Song?«
Ich nickte.
»Und?«
Ich wollte es ihr nicht sagen, aber mir fiel keine Ausrede ein, und erst recht schaffte ich es nicht, mir einen anderen Liedtext auszudenken. »Nichts Gutes. Das Übliche. Ein Schemen, ein Vex, Geheimnisse und Dunkelheit. So richtig unheimlich eben.«
Ich versuchte, gar nichts zu fühlen, nicht wie sich mein Magen verkrampfte, nicht wie mir die Kälte durch die Adern kroch. Meine Mutter wollte mir etwas mitteilen. Und wenn sie mir diesen Song schickte, dann war es etwas Wichtiges. Und etwas Gefährliches.
»Ethan. Das ist eine ernste Angelegenheit.«
»Alles ist eine ernste Angelegenheit, Tante Marian. Und mir fällt es schwer zu entscheiden, was ich tun soll.«
»Mit mir reden zum Beispiel.«
»Das will ich auch, aber im Moment weiß ich noch gar nicht, was ich dir erzählen könnte.« Ich stand auf. Warum hatte ich nicht den Mund gehalten? Ich konnte mir auf das, was gerade vor sich ging, keinen Reim machen, und je mehr Marian mich bedrängte, desto eher wollte ich die Flucht ergreifen. »Ich gehe jetzt besser.«
Sie begleitete mich bis an die Tür des Archivs. »Lass dich bald wieder blicken, Ethan. Du hast mir gefehlt.«
Ich umarmte sie lächelnd und blickte dabei über ihre Schulter durch die Tür in die eigentliche Stadtbibliothek von Gatlin – woraufhin mich fast der Schlag traf.
»Was ist denn hier passiert?«
Marian war ebenso schockiert wie ich. In der Bibliothek herrschte ein katastrophales Durcheinander; es sah aus, als hätte ein Tornado gewütet, während wir im Archiv gesessen hatten. Überall lagen aufgeschlagene Bücher, auf den Tischen, auf dem Tresen bei der Buchausgabe, auf dem Fußboden. Etwas Ähnliches hatte ich erst ein einziges Mal erlebt: vergangene Weihnachten, als reihenweise Bücher bei einer bestimmten Seite aufgeschlagen waren, auf denen ein Satz stand, der etwas
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