Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
größere Überraschung. Was mag wohl eine Seherin in meine Werkstatt führen?«
Amma ließ ihn nicht aus den Augen, so als wäre er eine der vielen Schlangen, die sich in den Terrarien des Ladens wanden. »Das war ein Irrtum. Mit einem wie dir habe ich nichts zu schaffen.« Sie klemmte ihre Tasche unter den Arm und wandte sich zum Gehen. »Ich finde allein hinaus.«
»Wohin so eilig? Willst du nicht wissen, wie man die Karten beeinflusst?« Sein Lachen hallte von den Wänden wider wie eine Bedrohung.
Amma blieb wie angewurzelt stehen. »Doch«, sagte sie leise.
»Dabei kennst du die Antwort selbst, Seherin. Deshalb bist du doch gekommen.«
Amma wirbelte herum und schaute ihn an. »Denkst du, das ist ein Anstandsbesuch?«
»Man kann die Karten nicht mehr ändern, wenn sie erst gefallen sind. Jedenfalls nicht die Karten, von denen wir sprechen. Das Schicksal ist ein Rad, das sich ohne unser Zutun dreht.«
Amma schlug mit der Faust auf den Tisch. »Versuch nicht, mir den silbernen Glanz einer Wolke zu verkaufen, die so schwarz ist wie deine Seele. Ich weiß, dass es möglich ist.«
Der Bokor tippte mit den Fingern gegen eine Flasche am Tischrand, in der sich zerstoßene Eierschalen befanden. Wieder schimmerten seine weißen Zähne im Dunkeln. »Alles ist möglich, Seherin. Es ist nur eine Frage des Preises. Welchen Preis bist du bereit zu zahlen?«
»Ich zahle jeden Preis.«
Mir lief es kalt über den Rücken. Wie Amma das sagte, wie sich ihr Tonfall dabei veränderte, das alles deutete darauf hin, dass sich der unsichtbare Graben, der zwischen ihr und dem Bokor verlief, in Nichts auflöste. Ich fragte mich, ob dieser Graben tiefer war als der, den sie in der Nacht des Sechzehnten Mondes überwunden hatte, als sie und Lena mich mithilfe des Buchs der Monde von den Toten zurückgeholt hatten. Ich schüttelte den Kopf. Wir alle hatten schon zu viele Grenzen überschritten.
Der Bokor beobachtete Amma aufmerksam. »Lass mich sehen, was die Karten sagen. Ich muss wissen, worum es hier wirklich geht.«
Amma zog einen Stoß Karten aus ihrer Tasche. Auf den ersten Blick sahen sie aus wie normale Tarotkarten, aber die Bilder passten nicht recht. Es waren keine Tarotkarten, es war etwas anderes. Sie fächerte sie sorgfältig auf und legte sie auf den Tisch. Der Bokor sah zu und spielte mit der Feder zwischen seinen Fingern.
Amma legte die letzte Karte. »Hier, bitte.«
Der Bokor stockte, murmelte etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand, aber dass er nicht gerade erfreut war, begriff ich trotzdem. Er wischte über den wackeligen Tisch, dass Flaschen und Flakons auf dem Boden zerschellten, und beugte sich so dicht zu Amma hin, wie es meines Wissens noch nie jemand gewagt hatte. »Die zornige Königin. Die Waage im Ungleichgewicht. Das Kind der Dunkelheit. Der Sturm. Das Opfer. Die getrennten Zwillinge. Die blutende Klinge. Die zerbrochene Seele.«
Er spuckte aus und drohte Amma mit der Feder, offenbar seine Variante der Einäugigen Drohung. »Eine Seherin, noch dazu eine direkte Nachfahrin von Sulla der Prophetin, ist klug genug zu wissen, dass das keine x-beliebige Kartenreihe ist.«
»Soll das heißen, du kannst es nicht?« Das war eine Herausforderung. »Habe ich den ganzen Weg nur wegen ein paar zerbrochener Eierschalen und toten Sumpffröschen gemacht? Die kriege ich bei jedem Wahrsager.«
»Das soll heißen, dass du den Preis nicht zahlen kannst, alte Frau!« Die Stimme des Bokors wurde lauter. Ich erstarrte vor Ärger. Amma war die einzige Mutter, die mir noch geblieben war. Ich ertrug es nicht, wenn jemand so mit ihr redete.
Amma blickte hoch zur Decke und murmelte etwas vor sich hin. Jede Wette, dass sie zu den Vorfahren sprach. »Der letzte Ort auf dieser Welt, an den es mich zieht, ist diese gottverlassene Brutstätte alles Bösen …«
Der Bokor nahm einen langen Stab, der mit einer spröden, vertrockneten Schlangenhaut umwickelt war, und umkreiste Amma wie ein Tier, das jeden Moment zuschnappt. »Und dennoch bist du gekommen. Denn deine Püppchen und deine Kräuter können das Ti-bon-ange nicht retten, nicht wahr?«
Amma sah ihn kämpferisch an. »Wenn du mir nicht hilfst, wird jemand sterben.«
»Und wenn ich dir helfe, wird auch jemand sterben.«
»Das steht auf einem anderen Blatt.« Sie tippte auf eine der Karten. »Das hier ist der Tod, um den es mir geht.«
Er betrachtete die Karte, strich mit der Feder darüber. »Interessant, dass du dir jemanden aussuchst, der ohnehin schon
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