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Ein Abend im Club

Ein Abend im Club

Titel: Ein Abend im Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gailly
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dachte er. Weißt du, wo wir hinmüssen?, fragte er Debbie. Ja, sie wusste es. Umso besser, sagte er, denn ich. Sie bot ihm an, er könne fahren. Lieber nicht, sagte er.
    Simon hatte den Porsche auf dem Rückweg vom Strand gefahren. Davon hatte er immer geträumt. Sieh an, schon ist es geschehen. Und ernsthafter hatte er immer davon geträumt, vor dem Ende seiner Tage eine große Liebe zu erleben. Sieh an, da ist sie, sie schaut ihn an, spricht mit ihm, fragt ihn: Fahren wir?
    Er hatte außerdem seit zehn Jahren davon geträumt, wieder auf einem Klavier zu spielen. Voilà, es ist möglich. Und Suzie bei alledem? Das ist der Preis der Dinge. Seine Theorie vom Preis der Dinge. Er hat oft mit mir darüber gesprochen.
    Debbie hatte sich umgezogen. Sie hatte sich als Junge verkleidet. In der Hose wirkten ihre Beine noch länger. Simon schämte sich seiner Bewunderung. So ist es eben, sagte er sich, ich zahle, jetzt schon zahle ich, ich werde zahlen, so viel ich muss, und eines Tages werde ich vielleicht Frieden finden, vielleicht.
    Debbie drehte den Zündschlüssel um. France Inter, es ist 20 Uhr, sagte das Autoradio. Debbie brachte es zum Schweigen. Idiotisch. Die Angst, man könne von Suzie berichten. Natürlich hätte das Autoradio nichts davon gesagt. Niemand wusste das mit Suzie.
    Von ihrem nichtigen Unfall in einem nichtigen Wald hatte niemand gehört, außer Simon und Debbie, Anne und Jamie, Annes Eltern und dem Ingenieur: Ja, er hatte angerufen, um sich bei Simon zu bedanken, der ihn gerettet hatte, ihn, sein Wochenende, seine Frau und sein Töchterchen.
    Und war an Nardis junior geraten. Mein Vater ist nicht da, sagte Jamie, er ist zu meiner Mutter unterwegs, seiner Frau, ins Krankenhaus, sie hatte einen Autounfall, sie ist tot.
    Seine Frau ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, sagte der Ingenieur zu der seinen, stell dir mal vor, vielleicht bin ich daran schuld, meinst du, ich kann ihm Blumen schicken?
    Es war 19.45 Uhr. Danach fuhren Anne und Jamie mit dem Kater los. Ja, Sie haben richtig gelesen, mit dem Kater. Es hatte sich nämlich etwas Ungewöhnliches zugetragen. Eigentlich trug sich sogar zweimal etwas Ungewöhnliches zu. Aber halten wir uns zunächst an das erste Mal.
    Beim Aufbruch sahen Anne und Jamie Dingo unter dem Sofa hervorkommen und ins Körbchen springen. Ja, als hätte er verstanden, dass er Suzie nicht Wiedersehen würde. Dass seine einzige Chance, sie wiederzusehen, in diesem Körbchen lag.
    An das Weidengeflecht gedrückt, sah er Anne und Jamie an, als wollte er sagen: Macht bloß keine Geschichten, ich will da auch hin. Darüber fingen sie dann noch einmal an zu weinen, bevor sie das Körbchen zuklappten. Um 20 Uhr fuhren sie auf dem Boulevard périphérique Richtung Autobahn zum Meer.
    Debbies blaues Cabrio fuhr am Meer entlang. Im Augenblick konnte sie sich nicht vom Meer entfernen. Die Straße folgte dem Küstenverlauf. Es gab einen direkteren Weg, auf dem man das Binnenland hätte erreichen und durchqueren können, aber Debbie hatte so viel Schönheitssinn zu vermuten, nun, da der Abend hereinbrach und die Farben regelrecht schmerzhaft wurden, wäre die Fahrt über die Küstenstraße besänftigender für Simon.
    In der Tat besänftigte sie ihn. Bequem in den Beifahrersitz gelehnt, betrachtete Simon durch das Gestrüpp der am Straßenrand wild wuchernden Pflanzen hindurch den Ozean, der sich langsam drehte und dem von einer Feuerscheibe, vermutlich der Sonne, noch ein wenig Leuchten abgezwungen wurde.
    Und zum ersten Mal verließ Simon das Meer ohne Bitterkeit, er wusste, er würde zurückkommen, nicht im nächsten Jahr, wie sonst immer nach den Ferien, sondern bald, gleich, in wenigen Tagen, er machte nur einen Abstecher von ihm weg.
    Er seufzte und begann, als sie das Meer verließen, Suzie ernsthaft zu beweinen. Er dachte, sie habe vielleicht nicht genug Zeit gehabt, ihr Leben an sich vorüberziehen zu lassen. Er ließ es für sie an sich vorüberziehen. Für sie und für sich. Und während Debbie, jetzt über Land, fuhr, öffnete er die große Kiste mit Fotos, holte einen ganzen Stapel in allen Größen heraus und ordnete sie.
    Ich muss einen Augenblick eingeschlafen sein, sagte er zu Debbie. Wieder wach, machte er sich Gedanken um die Katze. Fragte sich, was aus Dingo werden würde. Ob Jamie bereit wäre, ihn aufzunehmen. Ob Anne damit einverstanden wäre. Und sonst, dachte er.
    Magst du Katzen? Nein, sagte Debbie, ich hab einen Horror vor ihnen, warum? Nur so, sagte Simon.

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