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Ein Abend im Club

Ein Abend im Club

Titel: Ein Abend im Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gailly
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ihr. Er vergaß, dass sie tot war. Er konnte es nicht fassen, und der Gedanke, dass er nicht mehr seine Wut an ihr würde auslassen können, entfachte in ihm den unwiderstehlichen Drang zu schlagen, der sich in einem heftigen Fußtritt gegens Sofa äußerte.
    Der darunter versteckte Kater kauerte sich noch mehr zusammen. Rutschte rückwärts bis zur Wand. Er war nicht mehr zu sehen. Er dachte sogar, man würde ihn vergessen, und in der Tat, man vergaß ihn.
    Anne, die ruhiger war, kam auf die Lösung. Jamie hatte in seiner Panik, oder sagen wir Überstürzung, den Zettel mit der Handschrift seiner Mutter vom Block gehoben. Und, statt ihn abzureißen, umgeschlagen und unter den Block geklemmt. Da ist er, sagte Anne, ich hab die Nummer vom Hotel, beruhige dich und ruf deinen Vater an.

19.
    Es war 18.15 Uhr. Simon war nicht im Hotel, als sein Sohn anrief. Er hatte ein Zimmer reserviert, dasselbe, Nummer 12, mit der Absicht, Suzanne dort zu empfangen und mit ihr die Nacht dort zu verbringen, aber er war nicht in diesem Zimmer, als Jamie anrief.
    Die Rezeption bestätigte die Reservierung. Es war der junge Mann vom Frühdienst, derselbe, der Simon über die Abfahrtszeiten der Züge informiert hatte und sich nun wunderte, dass er nicht abgereist war: Er ist dann doch nicht gefahren, sagte er zu Jamie, einem Jungen seines Alters: Er hat das Zimmer für eine weitere Nacht reserviert und erwartet Madame Nardis.
    Das Gespräch hatte sich wie folgt angelassen, ziemlich abgehackt und unliebenswürdig: Monsieur Nardis ist im Augenblick nicht da. Er hat mehrmals angerufen. Um zu fragen, ob Madame Nardis angekommen sei. Wir erwarten sie gegen 19 Uhr. Spätestens, sagte mir Monsieur Nardis, sagte der junge Mann zu Jamie, der fragte:
    Und wissen Sie, wo er im Augenblick ist, ich bin sein Sohn, er ist mein Vater, ich muss ihn unbedingt erreichen, es ist sehr wichtig. Wahrscheinlich am Strand, sagte der junge Mann, nehme ich zumindest an, das Wetter ist schön, er genießt gewiss die Seeluft.
    Und ist sie weit weg, diese See, ich meine, dieser Strand, können Sie ihn nicht holen, fragte Jamie versuchsweise. Nein, tut mir Leid, ich kann hier nicht weg, bedauerte der junge Mann, aber was ich tun kann, ich kann ihn bitten, Sie anzurufen, wenn er das nächste Mal anruft, in einer halben Stunde ruft er wieder an, um zu erfahren, ob Ihre Mutter angekommen ist, ich meine Madame Nardis, ich nehme an, sie ist Ihre Mutter, Sie brauchen mir nur Ihre Nummer zu geben, und dann.
    Zwecklos, sagte Jamie, richten Sie ihm nur aus, er soll sofort bei sich zu Hause anrufen, und zwar von seinem Sohn, ja, ich bin sein Sohn, was immer Sie denken mögen, und Madame Nardis ist meine Mutter.
    Daran habe ich nie gezweifelt, antwortete der junge Mann liebenswürdig. Jamie Nardis legte auf und fragte sich, was sein Vater, Simon Nardis, Gatte seiner Mutter, Suzanne Nardis, eigentlich ganz allein in diesem Nest am Meer treiben mochte.
    Dieser Ort war weder ein Nest noch ein Kaff. Sondern eine moderne Stadt, in der alles zu finden war. Banken, ein Kasino, drei Kinos, das macht vierundzwanzig Kinosäle, ebenso viele Filme, reichlich Restaurants, Hotels, Diskotheken und sogar ein Jazzclub. Eines Abends besuchte ihn Simon, um dort etwas zu trinken, und machte die Bekanntschaft von Madame Debbie Parker, Amerikanerin, Inhaberin des Clubs, Sängerin und hinreißende Frau.
    Tags darauf, am Strand, gegen 14.45 Uhr, behauptete Debbie, sie habe Hunger. Simon schlug vor, essen zu gehen. Obwohl wir jetzt, zu dieser Uhrzeit, vielleicht nichts mehr bekommen, sagte er. Gehen wir zu mir, sagte Debbie. Ich habe keinen Hunger, dachte Simon, die fünf Croissants liegen mir immer noch im Magen, sicher wegen meines kalten Tauchbads, es stört die Verdauung, wenn man so viel Salzwasser schluckt, ich hätte mir denken können, dass es schmutzig war.
    Debbie schritt schon durch den Sand davon. Den Schwimmbeutel über der Schulter, ging sie in ihrem blauen Kleid den Strand hinauf. Simon folgte ihr bis zum Wagen.
    Lassen Sie mich ans Steuer?, fragte er. Wenn Sie wollen, sagte Debbie, aber ich dachte, wir duzen uns. Ach ja, stimmt, sagte Simon, also lässt du mich ans Steuer? Wenn du willst, sagte Debbie.
    Bei Debbie stand ein Piano. Als Simon es sah, dachte er, es ist doch schön, eins im Hause zu haben. Man kann es berühren, ach ja, es streicheln, o ja, es anschauen, ach ja, und sogar darauf spielen.
    Der schwarze Flügel nahm eine Ecke an einem Fenster des großen, hellen Raums ein, der

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