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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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ähnlich, die man in Träumen sieht. Zwar gab es immer Orte, die wir mit Sicherheit erkannten, doch gleich daneben wuchsen wie Inseln, die aus dem Meere tauchen, neue und rätselhafte Streifen an. Um hier die rechte und wahre Topographie zu schaffen, bedurfte es unserer ganzen Kraft. Wir taten daher wohl, die Abenteuer zu vermeiden, nach denen der alte Belovar begierig war.
    So schritten und weilten wir oft viele Stunden in Moor und Ried. Wenn ich die Einzelheiten dieses Weges nicht beschreibe, dann liegt das daran, daß wir Dinge trieben, die außerhalb der Sprache liegen und die daher dem Banne, den Worte üben, nicht unterworfen sind. Indessen erinnert sich ein jeder, daß sein Geist, sei es in Träumen oder tiefem Sinnen, sich angestrengt in Regionen mühte, die er nicht schildern kann. Es war, als ob er sich in Labyrinthen zurechtzutasten oder die Zeichnungen zu schauen suchte, die im Vexierbild eingeschlossen sind. Und manchmal erwachte er wundersam gestärkt. In solchem findet unsere beste Arbeit statt. Es schien uns, daß uns im Kampfe selbst die Sprache noch nicht genüge, sondern daß wir bis in die Traumestiefe dringen müßten, um die Bedrohung zu bestehen.
    Und wirklich ergriff uns, wenn wir einsam in Moor und Röhricht standen, das Beginnen oft wie ein feines Spiel mit Zug und Gegenzug. Dann brauten die Nebel stärker auf, und doch schien auch in unserem Innern zugleich die Kraft zu wachsen, die Ordnung schafft.
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    Indessen ließen wir bei keinem dieser Gänge die Blumen außer acht. Sie gaben uns die Richtung, wie der Kompaß den Weg durch ungewisse Meere weist. So war es auch an jenem Tage, an dem wir in das Innere des Fillerhornes drangen und dessen wir uns später nur mit Grausen erinnerten.
    Wir hatten uns am Morgen, als wir die Nebel aus den Wäldern bis an die Marmorklippen kochen sahen, vorgenommen, nach dem Roten Waldvögelein zu fahnden, und hatten uns, nachdem Lampusa das Frühstück zugerüstet, bald auf den Weg gemacht. Das Rote Waldvögelein ist eine Blume, die vereinzelt in Wäldern und Dickichten gedeiht, und führt den Namen Rubra, den Linnaeus ihr verliehen, im Unterschiede zu zwei blassen Arten, doch blüht es seltener als sie. Da diese Pflanze die Stellen liebt, an denen die Dickungen sich lichten, meinte Bruder Otho, daß sie vielleicht am besten bei Köppelsbleek zu suchen sei. So nannten die Hirten einen alten Kahlschlag, der an dem Orte liegen sollte, an dem der Waldrand in die Sichel des Fillerhornes mündet, und der verrufen war.
    Am Mittag waren wir bei dem alten Belovar, doch nahmen, da wir uns der vollen Geisteskraft bedürftig fühlten, wir keine Nahrung an. Wir streiften die silbergrauen Mäntel über, und da die Bestemutter uns, ohne Widerstand zu finden, abgetastet hatte, entließ der Alte uns getrost.
    Gleich hinter seiner Grenze setzte ein tolles Nebeltreiben ein, das alle Formen verwischte und uns bald Weg und Steg verlieren ließ. Wir irrten im Kreis auf Moor und Heide und machten zuweilen zwischen Gruppen von alten Weiden oder an trüben Tümpeln, aus denen hohe Binsen wuchsen, halt.
    Die Ödnis schien an diesem Tag belebter, denn wir hörten im Nebel Rufe und glaubten Gestalten zu erkennen, die nah im Dunst an uns vorüberglitten, doch ohne uns zu sehen. Wir hätten in diesem Trubel gewiß den Weg zum Fillerhorn verfehlt, allein wir hielten uns an den Sonnentau. Wir wußten, daß dieses Kräutlein den feuchten Gürtel, der den Wald umringte, besiedelt hielt, und folgten dem Muster seiner glänzend grünen und rot behaarten Blätter wie einem Teppichsaum. Auf diese Weise erreichten wir die drei hohen Pappeln, die sonst bei klarem Wetter die Spitze des Fillerhornes wie Lanzenschäfte weithin zeichneten. Von diesem Punkte tasteten wir uns an der Sichelschneide bis an den Waldrand vor und drangen dort in die größte Breite des Fillerhornes ein.
    Nachdem wir einen dichten Saum von Schlehdorn und Kornellen durchbrochen hatten, traten wir in den Hochwald ein, in dessen Gründen noch nie der Schlag der Axt erklungen war. Die alten Stämme, die den Stolz des Oberförsters bildeten, standen im feuchten Glanz wie Säulen, deren Kapitelle der Dunst verbarg. Wir schritten unter ihnen wie durch weite Vestibüle, und gleich dem Zauberwerk auf einer Bühne hingen Efeuranken und Klematisblüten aus dem Unsichtbaren auf uns herab. Der Boden war hoch bedeckt mit Mulm und moderndem Geäst, auf dessen Rinde sich Pilze, brennend rote Becherlinge, angesiedelt hatten, so daß uns ein

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