Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
Vom Netzwerk:
Sinnloses gibt auf der Welt.
    Der arme Junge hatte uns in der Tat ein Beispiel gegeben, wenngleich ein anderes, als er beabsichtigte. Er wußte in einem Augenblick anschaulich zu machen und zu vollenden, wozu die meisten unseres Kreises ein Leben benötigten. Er hatte uns unsere Ausweglosigkeit gezeigt.
    Damals erfaßte ich das grauenvolle Wort »Umsonst«. Es hatte mich schon nach der Niederlage durchbohrt, beim Anblick übermenschlicher Leistung, unausschöpfbaren Leidens, aus dem es wie ein von Geiern gekrönter Fels in die brandrote Nacht ragte. Das schuf eine Wunde, die nie vernarbt.
    Es schien, daß die Kameraden es weniger ernst nahmen. Gerade unter den Teilnehmern jenes Abends war eine Reihe von starken Geistern, die später viel von sich reden machten; es war, als hätte ein Dämon sie vereint. Sie kamen am nächsten Tage noch einmal zusammen und beschlossen, daß Lorenz' Name aus den Listen zu streichen sei. Der Selbstmord war für sie ein unzulässiges, dem Zeitgeist dargebrachtes Kompliment.
    Es gab eine armselige Beerdigung auf einem der Vorstadtfriedhöfe. Als die Teilnehmer sich zerstreuten, hörte man befremdete Worte: »Im Rausch aus dem Fenster gesprungen« und ähnliches.
    12
    Die Vögel schwiegen. Ich hörte wieder das Murmeln des Baches im schwülen Grund. Dann fuhr ich auf. Ich war seit dem frühesten auf den Beinen gewesen in der Unruhe eines Menschen, der hinter dem Brot herläuft. In solcher Stimmung überrascht uns der Schlaf wie ein Dieb.
    Ich konnte nur genickt haben, denn die Sonne hatte sich kaum bewegt. Der Schlaf im prallen Lichte hatte mich verwirrt. Ich orientierte mich mühsam; der Ort war unfreundlich.
    Auch die Bienen schienen nun ihren Mittagsschlaf beendet zu haben; die Luft war von ihrem Summen erfüllt. Sie weideten auf der Wiese, indem sie in Wolken den weißen Schaum abstreiften, der sie überhöhte, oder sie tauchten in ihre bunte Tiefe ein. Sie hingen in Trauben am hellen Jasmin, der den Weg säumte, und aus dem blühenden Ahorn neben der Laube klang ihr Schwärmen wie aus dem Inneren einer großen Glocke, die lange nachschwingt, wenn es Mittag geläutet hat. An Blüten war kein Mangel; es war eines von den Jahren, von denen die Imker sagen, daß die Zaunpfähle honigen.
    Dennoch war etwas Fremdes an diesem friedlichen Geschäft. Wenn ich von den Pferden und vom jagdbaren Wild absehe, kenne ich wenig Tiere, denn ich fand nie einen Lehrer, der mich dafür begeisterte. Mit den Pflanzen ist es anders, denn wir hatten einen passionierten Botaniker, mit dem wir auf Exkursion gingen. Wieviel in unserem Werdegange hängt von solchen Begegnungen ab. Wenn ich ein Verzeichnis der Tiere aufstellen sollte, die ich kenne, würde ich mit einem Blättchen auskommen. Das gilt besonders für das Ungeziefer, das zu Legionen die Natur erfüllt.
    Immerhin weiß ich, wie eine Biene, eine Wespe oder auch eine Hornisse ungefähr beschaffen ist. Wie ich nun so saß und dem Schwärmen zusah, schienen mir einige Male Wesen vorbeizustreichen, die sich fremdartig abhoben. Auf meine Augen kann ich mich verlassen; ich habe sie nicht nur auf der Hühnerjagd erprobt. Es machte mir keine Mühe, einem dieser Wesen mit dem Blick zu folgen, bis es sich auf einer Blüte niederließ. Dann nahm ich das Glas zu Hilfe und sah, daß ich mich nicht getäuscht hatte.
    Obwohl ich, wie gesagt, wenig Insekten kenne, hatte ich hier sogleich den Eindruck des Ungeahnten, des höchst Bizarren, etwa den Eindruck: ein Insekt vom Mond. An diesem Wesen konnte ein Demiurg in fremden Reichen geschaffen haben, der einmal von Bienen gehört hatte.
    Das Wesen ließ mir vollauf Zeit, es zu betrachten, und außerdem tauchten jetzt überall seinesgleichen auf wie Arbeiter am Werktor, wenn die Sirene gerufen hat. An diesen Bienen fiel zunächst die Größe auf. Sie waren zwar nicht so groß wie jene, denen Gulliver in Brobdingnag begegnete und gegen die er sich mit dem Degen verteidigte, jedoch bedeutend größer, als eine Biene oder auch eine Hornisse ist. Sie hatten etwa den Umfang einer Walnuß, die noch in der grünen Schale steckt. Die Flügel waren nicht beweglich wie Vogel- oder Insektenflügel, sondern sie waren als starrer Saum um den Körper herumgeführt, also eher Stabilisierungs- und Tragflächen.
    Die Größe fiel weniger auf, als man denken sollte, da das Tier vollkommen durchsichtig war. Die Vorstellung, die ich von ihm gewann, verdankte ich im wesentlichen den Reflexen, die seine Bewegungen im Sonnenlicht hervorriefen.

Weitere Kostenlose Bücher